Tokio geht gegen die Lohnungleichheit vor

Regierung will Benachteiligung von Zeitarbeitern stoppen - und hofft zugleich auf einen Wahlerfolg

Tokio geht gegen die Lohnungleichheit vor

mf Tokio – Japans Regierung will die Lücke zwischen den Löhnen und Gehältern von Festangestellten und Zeitarbeitern schließen. Premierminister Shinzo Abe forderte im Parlament “gleicher Lohn für gleiche Arbeit”. Seine Regierung will den Abbau der Lohnungleichheit dabei zum zentralen Baustein ihrer neuen Wachstumsstrategie machen, die im Mai veröffentlicht werden soll. Das dahinterstehende Kalkül: Das Engagement dürfte sich auch positiv auf das Ergebnis von Abes Liberaldemokraten bei der Oberhauswahl im Juli auswirken.Seit April 2015 wird Arbeitgebern die “gleichwertige” Behandlung von Festangestellten und Zeitarbeitern vorgeschrieben. Doch die vage Formulierung blieb bisher ohne Wirkung. Nun erarbeiten je eine Gruppe von Regierungsabgeordneten und Experten Vorschläge für eine Durchsetzung der Lohnannäherung.Dabei verfolgt Regierungschef Abe zwei Ziele: Erstens würden höhere Löhne für Zeitarbeiter den Konsum steigern und mittelfristig zu einer höheren Geburtenrate führen. Das hilft gegen Deflation und Überalterung. Wegen ihres geringen Einkommens und der sozialen Unsicherheit sind Zeitarbeiter nämlich weniger häufig verheiratet und haben weniger Kinder als Festangestellte. Zweitens nimmt Tokio der Opposition, die mit den Gewerkschaften verbündet ist, ihr wichtigstes Wahlkampfthema weg. Im Juli dürfen zudem erstmals auch die Jungwähler zwischen 18 und 20 Jahren abstimmen.Die Lohnungleichheit fällt in Japan recht hoch aus: Die Zahl nicht regulär Beschäftigter hat von 2004 bis 2015 um 27 % auf 19,8 Millionen zugelegt – 37,5 % der 52,8 Millionen Beschäftigten. Nach Angaben von Ex-Arbeitsminister Akira Nagatsuma von der oppositionellen Demokratischen Partei steigt das Monatsgehalt eines regulären Arbeiters von 202 400 Yen im Alter bis 24 Jahre auf 398 700 Yen (3 215 Euro) für 50- bis 54-Jährige. Bei nichtregulären Beschäftigten startet es mit 170 100 Yen und wächst auf bis zu 220 200 Yen (1 776 Euro) für 60- bis 64-Jährige. Zugleich sind von diesen Arbeitern nur 68 % arbeitslosenversichert, nur 55 % in einer Krankenversicherung, nur 52 % in einem Betriebsrentensystem und nur 31 % bekommen die üblichen Boni. Die Arbeitgeber wehren sich gegen die Verschärfung der Vorgaben. “Die Bezeichnung ,gleich` sei schwer zu definieren”, moniert der Chef der Industrie- und Handelskammer Akio Mimura. Die Gewerkschaften warnten vor einer gleichbleibenden Lohnsumme: Die Festangestellten könnten dann ja zugunsten der Zeitarbeiter weniger bekommen.