EZB-FORUM IN SINTRA

Top-Ökonomen fordern mutige Euro-Reformen

OECD-Chefvolkswirtin Boone für gemeinsame Fiskalkapazität - Draghi kritisiert schleppenden Fortschritt

Top-Ökonomen fordern mutige Euro-Reformen

ms Frankfurt – Die Eurozone braucht weitreichende Reformen und mehr Integration, wenn sie in der Zukunft besser funktionieren und für künftige Krisen gewappnet sein soll. Diese Ansicht haben gestern beim geldpolitischen Forum der Europäische Zentralbank (EZB) in Sintra gleich mehrere hochrangige Ökonomen in Reden und bei Diskussionen zu 20 Jahren Wirtschafts- und Währungsunion vertreten. Insbesondere bei der Fiskalpolitik sehen viele Experten Handlungsbedarf.In der Eurozone gibt es aktuell intensive Diskussionen über eine Reform der Währungsunion. Dabei ist ein zentraler Bestandteil ein Eurozonen-Budget. Die Diskussionen in der Eurogruppe kommen aber nur sehr schleppend voran. Zugleich wächst die Sorge vor einer starken Konjunkturabschwächung oder gar einer neuen Euro-Krise.OECD-Chefvolkswirtin Laurence Boone sagte gestern in Sintra, dass die Makropolitik im Euroraum nicht antizyklisch genug sei, weil es einen Mangel an fiskalischer Stabilisierung gebe. Boone plädiert für eine gemeinsame Fiskalkapazität. Diese soll laut Boone nicht die nationalen Budgets ersetzen, aber eine schnellere und koordinierte Antwort auf Schocks erlauben. Der EZB solle es zudem erlaubt werden, als “Backstop” für die Staatsanleihemärkte zu fungieren, sagte sie.Auch Ex-IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard machte in Sintra deutlich, dass die Fiskalpolitik im Euroraum künftig mehr Verantwortung übernehmen sollte – spätestens in der nächsten Krise. “Die Fiskalpolitik muss eine viel aktivere Rolle spielen, und dafür ist sie noch nicht gerüstet”, sagte er. Er plädierte für eine Überprüfung der verschiedenen EU-Regeln zu Schulden, zum Tempo des Schuldenabbaus und der Flexibilität bei der Antwort auf Nachfrageschwächen. Hintergrund ist, dass Blanchard in Zeiten dauerhaft sehr niedriger Zinsen mehr Vorteile und weniger Nachteile einer schuldenfinanzierten Fiskalpolitik sieht. Der Top-Ökonom machte sich zudem für einen Finanzminister auf der Ebene der Eurozone stark. Zudem warb er im aktuellen Umfeld für eine Koordinierung von Geld- und Fiskalpolitik.Markus Brunnermeier, Professor an der Princeton University und Direktor des Bendheim Center for Finance, warb in seiner Rede vor allem für ein gemeinsames “safe asset” im Euroraum. Zuletzt hatte auch die EZB erneut dafür plädiert.EZB-Präsident Mario Draghi untermauerte in Sintra das EZB-Plädoyer für eine Vertiefung der Währungsunion. Konkret warb er stark für eine Fiskalkapazität und kritisierte die schleppenden Fortschritte. “Die Arbeiten an einem gemeinsamen finanzpolitischen Stabilisierungsinstrument von angemessener Größe und Gestaltung sollten mit einem breiteren Anwendungsbereich und vor allem neuer Entschlossenheit fortgesetzt werden”, sagte er.