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Trio infernale

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 15.7.2016 Die Ernennung des ehemaligen Londoner Bürgermeisters Boris Johnson (52) zum Außenminister mag viele überrascht haben. Für die Verhandlungen mit Brüssel ist jedoch jemand anderes im Kabinett von...

Trio infernale

Von Andreas Hippin, LondonDie Ernennung des ehemaligen Londoner Bürgermeisters Boris Johnson (52) zum Außenminister mag viele überrascht haben. Für die Verhandlungen mit Brüssel ist jedoch jemand anderes im Kabinett von Theresa May (59) von größerer Bedeutung: Der Euroskeptiker David Davis (67) soll als Staatssekretär für den EU-Austritt den Brexit organisieren. Die Personalie schmälert nicht nur die künftige Bedeutung des Foreign Office. Der konservative “Spectator” wertet das auch als Beleg dafür, dass May in dieser Sache keinen Rückzieher machen wird. Denn Davis opferte für seine Prinzipien 2008 seinen Job als Innenminister im “Schattenkabinett” David Camerons, als dieser noch die Oppositionsbank drückte. Er war dagegen, den Sicherheitsbehörden zu ermöglichen, Terrorverdächtige ohne Anklage bis zu 42 Tage festzuhalten. Davis würde auch diesen Posten niederlegen, wenn er sich gezwungen sähe, faule Kompromisse eingehen zu müssen, lautet die Schlussfolgerung des erzkonservativen Magazins. “Monsieur Non”In Brüssel kennt man Davis nur zu gut. Von 1994 bis 1997 war er im Außenministerium für EU-Themen zuständig. Zu den Spitznamen, die er dort erhielt, gehörten “Monsieur Non” und “Charming Bastard”. Aus seiner Sicht hätte Margaret Thatcher die Einheitliche Europäische Akte nicht unterzeichnet, wenn sie sich damals über die Konsequenzen im Klaren gewesen wäre. In der Partei hat er ein gewisses Gewicht. 2005 unterlag er jedoch im Kampf um die Parteiführung gegen Cameron.Und noch eine weitere Ernennung ist dazu geeignet, das Gewicht des in der Regel nur Boris genannten Führers von Vote Leave im Kabinett zu reduzieren: Der Brexiteer Liam Fox (54) soll sich als Staatssekretär um den internationalen Handel kümmern, sprich all die Vereinbarungen mit Drittländern neu verhandeln, die bei einem Austritt aus der EU nichtig würden. Auch der ehemalige Verteidigungsminister bemühte sich 2005 um die Parteiführung, lag aber noch hinter Davis. Im Skandal um überhöhte Spesenabrechnungen britischer Abgeordneter spielte Fox dagegen eine Hauptrolle.Ob es Brüssel-freundlichen Akademikern, Politikern und Medienschaffenden nun passt oder nicht: Dieses Trio infernale wird Großbritannien künftig in der Welt repräsentieren. Man kann es als einen Akt ausgleichender Gerechtigkeit betrachten, dass die für den Brexit Verantwortlichen auch dessen Folgen abarbeiten müssen. Boris hatte bereits mit dem Amt des Außenministers geliebäugelt – allerdings in seiner unbeschnittenen Form. May hat ihn gehörig eingebremst. Die Mitarbeiter seines Ministeriums dürften ihm mehrheitlich feindlich gesonnen sein. Vermutlich wird er seine Amtszeit auf Auslandsreisen verbringen und dabei sein Verkaufstalent für Großbritannien nutzbringend einsetzen.Philip Hammond (60) macht ihm sicher gerne Platz. Dem bisherigen Außenminister wird schon lange Interesse am Amt des Schatzkanzlers nachgesagt. Zuvor fungierte er bereits als Verkehrs- und Verteidigungsminister. Hätte die Wahl 2010 keine Koalitionsregierung der Konservativen mit den Liberaldemokraten hervorgebracht, wäre er vielleicht damals als City-Minister ins Schatzamt eingezogen. Die unzeremonielle Entlassung von George Osborne (45) durch May kommt ihm also höchst gelegen. Allerdings dürfte Hammond nicht gefallen, dass sich May vom Ziel eines ausgeglichenen Haushalts verabschiedet hat, um den sozialen Zusammenhalt in Großbritannien zu stärken. Osborne zwitscherte zum Abschied über Twitter: “Andere werden das beurteilen, aber ich hoffe, dass ich die Volkswirtschaft in einem besseren Zustand zurücklasse, als ich sie vorgefunden habe.” Hammond dürfte das schwerfallen. Anders als viele Berufspolitiker verfügt der Oxford-Absolvent jedoch über Erfahrungen in der Privatwirtschaft. Der Vater dreier Kinder arbeitete zuerst bei Speywood Laboratories, dann für den Pflegeheimbetreiber Castlemead und wurde schließlich Partner bei der Beratungsgesellschaft CMA.Er werde sich dafür einsetzen, dass die City of London ihre Passporting-Rechte behält, sagte Hammond am Tag vor seiner Ernennung bei einem Abendessen der British Bankers Association. Mit interessanten Diskussionen am Kabinettstisch darf gerechnet werden.