Trost spendet nur noch das Essen zu Hause
Dicht an dicht drängten sich vor allem junge Leute am letzten Wochenende der Freiheit in den Einkaufsstraßen von Rom und Mailand. Restaurants, Bars und Cafés waren noch einmal voll, an den Mailänder Navigli-Kanälen war kein Durchkommen und in Genua mussten die Ordnungskräfte sogar eine Rave-Party auflösen.
Mit alldem ist es seit Montag vorbei. Angesichts der dramatisch steigenden Coronazahlen hat Premierminister Mario Draghi drastische Maßnahmen ergriffen. In weiten Teilen des Landes ist praktisch alles geschlossen: Geschäfte, Restaurants, Cafés und Schulen. Reisen wurden drastisch eingeschränkt. Ein Militärgeneral mit Kriegserfahrungen im Kosovo und in Afghanistan soll nun mit Hilfe des Zivilschutzes und der Armee dafür sorgen, dass die Impfkampagne endlich in Gang kommt. Er richtet Drive-in-Impfzentren in Sportstadien, auf Industriegeländen, Bahnhöfen und in Häfen ein und setzt mobile Impfzentren für abgelegene Gebiete in Marsch. Doch die vorläufige Unterbrechung der AstraZeneca-Impfungen gefährdet das Ziel, bis Ende des Sommers alle Italiener zu impfen.
Die Straßen in Mailand, wo in einigen Vierteln über 300 Infektionen pro 100000 Einwohner gezählt werden, sind leer. Nur die Sirenen der Krankenwagen sind zu hören. Ältere Mailänder wagen sich kaum noch hinaus. Die sonst überfüllte Straßenbahnlinie 16, die durch die Geschäftsstraße Corso Vercelli rumpelt, ist gähnend leer, die U-Bahn-Stationen sind es auch. Wer nicht von zu Hause arbeiten kann, nimmt das E-Bike, den Scooter, das Auto oder geht zu Fuß. Die Wirtschaft in Mailand ist 2020 um 10,8% eingebrochen. Mehr als 22000 Bewohner haben die Metropole in den letzten Monaten verlassen. Die Mieten und Immobilienpreise sinken.
Zu den wenigen Nutznießern der seit einem Jahr dauernden Krise gehören die Supermärkte und Lebensmittelläden. Während Tourismus, Autoindustrie, metallverarbeitende Industrie, Maschinenbau und Modeindustrie dramatische Rückgänge verzeichnen, erleben Conad, Selex, Coop, Lidl und Eurospin ein Rekordjahr mit einem Umsatzzuwachs von 5%. Online-Verkäufe und Discounter haben noch stärker zugelegt. Nur die Riesenmärkte auf der grünen Wiese werden gemieden.
Da Restaurantbesuche seit Beginn der Krise kaum möglich waren, wird mehr eingekauft. Denn zum Arbeiten und Einkaufen darf man noch raus. Davon profitieren auch die Lebensmittelproduzenten. Ob Obst und Gemüse, Weine, Öl, Süßwaren, Parmaschinken oder Kaffee: Die Nachfrage ist groß. Per Ende September verzeichnete die Lebensmittelindustrie einen Zuwachs von 3,1%. Der Umsatz des Süßwarenriesen Ferrero (Nutella, Kinder) ist 2020 um 7,8% auf 12,3 Mrd. Euro gewachsen. Auch der Export trägt zu dem Boom bei. Die Weinausfuhren sind nur um 2% auf 6,3 Mrd. Euro zurückgegangen. Italien ist damit wieder größter Weinexporteur weltweit. Nach Deutschland, in die Schweiz und nach Kanada wurde sogar deutlich mehr verkauft als 2019.
Auch der König unter den Käsen, der Parmesan, gehört zu den Krisengewinnern. Nach einem sehr schlechten Start mit deutlich sinkenden Preisen zu Jahresbeginn boomten die Verkäufe im zweiten Halbjahr. Die Produktion stieg um 4,9% – neuer Rekord. Die Preise kletterten von 7,55 Euro je Kilogramm zu Jahresanfang auf mehr als 10 Euro, der Umsatz erreichte 2,4 Mrd. Euro. Auch hier trugen die Ausfuhren, die 44% zu den Erlösen beitragen, stark zu dem Verkaufsboom bei. Nach Deutschland wurden 15% mehr Parmesan verkauft als 2019. Es ist nach den USA und Großbritannien der drittgrößte Abnehmer des Parmigiano Reggiano.
Und auch aus den USA gibt es positive Nachrichten für die Parmesanproduzenten. Lisa Ferrarini, Präsidentin des gleichnamigen großen italienischen Produzenten von Wurstwaren (Parmaschinken, Mortadella), Weinen und Parmesan, hofft, dass nach der Aussetzung der US-Strafzölle auch in den USA verloren gegangene Marktanteile zurückgewonnen werden. Das 1956 gegründete Familienunternehmen aus Modena, der Heimat des Balsamico-Essigs, exportiert in 34 Länder und setzt auf Qualitätsprodukte. Sie sind auch in der Krise gefragt.