Trübere Aussichten für Deutschland

ZEW: Konjunkturerwartungen von Börsenexperten erheblich pessimistischer - Politische Krisen belasten

Trübere Aussichten für Deutschland

Die dunklen Wolken am deutschen Konjunkturhimmel, insbesondere die vielen politischen Konfliktherde weltweit, werden nach Einschätzung von Börsenprofis immer bedrohlicher. Das Stimmungsbarometer des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung für die größte Euro-Volkswirtschaft ist im August auf den niedrigsten Stand seit Ende 2012 gefallen.ks Frankfurt – Der ZEW-Erwartungsindex für Deutschland ist im August gegenüber Juli um 18,5 auf 8,6 Punkte abgesackt, wie das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag mitteilte. Schlechter stand der Indikator zuletzt im Dezember 2012.Das August-Ergebnis markiert den achten Rückgang des Stimmungsbarometers in Folge und das größte monatliche Minus seit über zwei Jahren. Zudem ist der Index, für den das ZEW in den vergangenen zwei Wochen gut 220 Finanzmarktanalysten und institutionelle Anleger befragt hat, zum ersten Mal seit Anfang 2013 wieder unter seinen historischen Mittelwert gesunken, der bei rund 25 Punkten liegt. Volkswirte hatten im Konsens der Prognosen dagegen für den Berichtsmonat mit einem Verlust von knapp 10 Zählern gerechnet.Aber nicht nur die Aussichten für die deutsche Konjunktur in den kommenden sechs Monaten werden von den Börsenexperten ungünstiger eingeschätzt. Auch die aktuelle Wirtschaftssituation stellt sich ihrem Urteil zufolge schlechter dar als noch vor einem Monat. Der Lageindex brach laut ZEW um 17,5 auf 44,3 Punkte ein.Der Rückgang der Konjunkturerwartungen dürfte nach Ansicht des ZEW vor allem damit zusammenhängen, dass die “anhaltenden geopolitischen Spannungen mittlerweile spürbare Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft zeigen”. So deuteten aktuelle Zahlen zur Produktion und zu den Auftragseingängen darauf hin, dass die deutschen Unternehmer vor dem Hintergrund unsicherer Absatzperspektiven ihre Investitionstätigkeit merklich verringern, betonen die Mannheimer Konjunkturforscher. In der vergangenen Woche war durch das Statistische Bundesamt (Destatis) ein preis-, saison- und arbeitstäglich bereinigter Absturz der Neuaufträge für die deutsche Industrie gemeldet worden (vgl. BZ vom 7. August). Im Juni nahm demnach das verarbeitende Gewerbe um 3,2 % weniger neue Orders herein als noch im Vormonat, als das Bestellvolumen um 1,6 % geschrumpft war.Vor diesem Hintergrund hatte der Ausstoß des deutschen produzierenden Gewerbes laut den weiteren Destatis-Angaben im Juni zwar bereinigt um 0,3 % höher gelegen als im Vormonat. Dies konnte aber das scharfe Abbremsen im Mai von revidiert minus 1,7 % nicht annähernd wettmachen (vgl. BZ vom 8. August). Dabei verzeichnete die Industrieproduktion einen Anstieg von lediglich 0,1 %. Allerdings gab es bei den Herstellern von Investitionsgütern ein Minus von 0,9 %.Weil aber die Konjunktur im Euroraum nicht richtig in Fahrt komme, befürchten nunmehr die ZEW-Experten, dass das Wirtschaftswachstum in Deutschland 2014 wiederum weniger stark ausfallen wird als bislang erwartet. Die Konjunkturprognosen der Teilnehmer an der aktuellen ZEW-Umfrage für die Eurozone sind im August ebenfalls deutlich gesunken. Der entsprechende Erwartungsindex verlor 24,4 Punkte gegenüber dem Vormonat und steht nun bei 23,7 Zählern. Ebenfalls verschlechtert, wenn auch lange nicht so deutlich wie sein deutsches Pendant, hat sich der ZEW-Indikator für die aktuelle Konjunkturlage im Euroraum. Die August-Erhebung des ZEW erbrachte einen Rückgang um 2,3 auf minus 33,8 Punkte. “Kein Konjunktureinbruch”Bankenvolkswirte strichen in ersten Reaktionen auf die neuen ZEW-Zahlen zwar ebenfalls den Einfluss der sich verschärfenden geopolitischen Lage heraus. Alexander Krüger, Bankhaus Lampe, etwa meinte Reuters zufolge, die “überzogenen Wachstumserwartungen werden nun angepasst”. Er fügte jedoch einschränkend hinzu: “Aber alles, was vorher gut war, ist nun nicht auf einmal schlecht. Einen Konjunktureinbruch müssen wir nicht befürchten, aber Abstriche beim Wachstum hinnehmen.”Ähnlich sieht man es auch bei der Commerzbank. Konjunkturexperte Ralph Solveen räumt zwar ein, dass Auslöser für die zunehmende Skepsis vieler Analysten die Sanktionen gegen Russland und die zuletzt schwachen Konjunkturdaten gewesen sein dürften. Der ZEW-Index habe aber “in den vergangenen Jahren auch einige Fehlsignale produziert, so dass der schwache August-Wert kein verlässliches Signal für eine noch schwächere Konjunktur in Deutschland ist”. Genauere Auskunft hierüber werde der in der kommenden Woche anstehende Einkaufsmanagerindex geben.