Trump gegen den Rest der Welt
Von Julia Wacket und Mark Schrörs, FrankfurtBei seiner Rede vor den Vereinten Nationen (UN) im September hat die Welt US-Präsident Donald Trump noch ausgelacht – dabei sind es vor allem internationale Organisationen wie die UN selbst, die seit Trumps Amtsantritt nichts mehr zu lachen haben. Der Nationalist aus dem Weißen Haus setzt auf das Recht des Stärkeren. Multilaterale Organisationen wie etwa der Internationale Währungsfonds (IWF), die Weltbank und die Welthandelsorganisation WTO, in denen Kooperation und Kompromiss großgeschrieben werden, sind ihm ein Dorn im Auge. Dass Trump skeptisch gegenüber multilateraler Kooperation und multilateralen Organisationen ist, beweist er seit Beginn seiner Amtszeit. 2017 hatte er vor allem Organisationen der UN auf dem Kieker. So kehrten die USA dem Pariser Klimaabkommen den Rücken, sie traten aus der Bildungs- und Kulturorganisation Unesco aus, verließen den UN-Menschenrechtsrat und kürzten ihre finanziellen Beiträge an die UN. Folgen für Wirtschaft2018 hatten Trumps Angriffe auf den Multilateralismus dann immer stärkere Folgen für die Wirtschaft. Die Amerikaner stiegen einseitig aus dem Atomabkommen mit dem Iran aus und leiteten neue Sanktionen gegen das Regime ein – mit erheblichen Folgen für Irans Handelspartner. Vor allem aber nahm Trump internationale Wirtschaftsorganisationen, allen voran die WTO, ins Visier. Auch stellte er immer wieder den Konsens in der G7 und der G20 in Frage. Die Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer hat nach der Weltfinanzkrise 2008 nicht nur die globale Finanzregulierungsagenda diktiert, sondern ist gleichsam zu einer Art globaler Wirtschaftsregierung aufgestiegen.Bei Themen wie Protektionismus, Klima oder Steuern hat Trump die G20-Partner wiederholt düpiert. Nahezu sinnbildlich war der Eklat nach dem G7-Gipfel im Juni 2018, als Trump seine Zustimmung zu einer mühsam ausgehandelten Abschlusserklärung später per Tweet wieder zurücknahm. Der US-Präsident schickt sich an, das Vertrauen in multilaterale Organisationen nachhaltig zu untergraben. Vertrauen und Verlässlichkeit sind aber die Grundpfeiler internationaler Beziehungen. Dabei muss Trump die internationalen Organisationen gar nicht als solche zerstören – wogegen sich viele wehren würden: Es reicht die Aushöhlung der Institutionen. Bei der WTO etwa verhindert Trump die Ernennung neuer US-Mitglieder im Revisionsgericht für Streitfälle – dem Appellate Body, kurz AB. Es droht eine schleichende Lähmung der Streitschlichtung.Aktuell sind in der Berufungsinstanz des Gremiums nur noch drei der vorgesehenen sieben Richter tätig, was es für die WTO noch schwieriger macht, Urteile in internationalen Streitigkeiten, etwa über Zölle, zu fällen. Scheidet ein weiteres Mitglied aus und werden aufgrund der Blockade durch die USA keine neuen ernannt, ist der AB spätestens im Dezember 2019 handlungsunfähig. Das Einzige, was die USA dann noch tun müssen, ist, bei allen Verfahren, die sie in erster Instanz verlieren, Berufung einzulegen. Über diese wird dann dank des herbeigeführten Personalmangels nicht mehr entschieden. Das Welthandelsrecht würde ad acta gelegt. EU treibt WTO-Reform voranDas will nicht zuletzt auch die EU unbedingt verhindern, weswegen sie eine Reform der WTO vorantreibt. Es gibt also wenigstens eine gute Seite an Trumps Kurs: Er hat das Thema Handel wieder auf den Tisch gebracht und den Druck auf die Staaten erhöht, die WTO-Reform voranzubringen. So wollen die Mitgliedstaaten die Regeln für den digitalen Handel und geistiges Eigentum verbessern. Die EU, China, Indien, Mexiko und Kanada haben außerdem Vorschläge präsentiert, um die WTO-Streitschlichtung künftig schneller zum Abschluss zu bringen und die Effizienz zu verbessern. Dazu gehört, dass die Mitglieder des Berufungsgremiums eine längere Amtszeit von sechs bis acht Jahren haben sollen und die Zahl der Mitglieder von sieben auf neun Vollzeitstellen erhöht werden soll. Zudem soll klargestellt werden, dass sich das Berufungsgremium nicht mit Fragen befassen kann, die sich auf die Bedeutung des heimischen Rechts der Streitparteien erstrecken. Sollte es tatsächlich gelingen, die WTO zu reformieren, hätte Trump mit seiner Kritik tatsächlich auch etwas Gutes bewirkt.Trump attackiert aber nicht nur die WTO. Mit seiner Kritik an IWF und Weltbank rüttelt er an jenen Bretton-Woods-Institutionen, die im Zentrum der globalen Wirtschafts- und Währungsordnung stehen. Dabei nehmen die USA in beiden Organisationen eine bedeutende Rolle ein – nicht zuletzt durch ihren hohen Kapitalanteil. Es ist kein Zufall, dass IWF und Weltbank nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Sitz nur wenige Kilometer vom Weißen Haus entfernt einnahmen. Um das Verhältnis zwischen den USA und dem IWF ist es zwar schon länger nicht zum Besten bestellt – unvergessen ist die jahrelange Blockade des US-Kongresses bei der 2010er IWF-Quotenreform. Mit Trump ist die Beziehung aber so richtig abgekühlt. Konflikte zwischen dem IWF und Trump wurden zuletzt oft öffentlich ausgetragen – wie auf der IWF-Jahrestagung im Oktober 2017 in Washington. Dort stritten die US-Administration und IWF-Granden ungewöhnlich scharf über die geplante Steuerreform in den USA. Später warb IWF-Chefin Christine Lagarde dann fast täglich für globale Zusammenarbeit, Welthandel und den gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel – genau das Gegenteil all dessen, was Trump favorisiert. Und US-Finanzminister Steven Mnuchin drohte, der IWF müsse effektiver werden, und forderte “harte Entscheidungen, möglicherweise auch in Bezug auf Gehälter und Boni von Mitarbeitern und Management”.Das Problem: Mit ihrer Vetomacht können die USA als größter Anteilseigner den IWF in vielfacher Hinsicht jederzeit blockieren und auch im Tagesgeschäft reichlich Sand ins Getriebe streuen. Weitere Reformen des IWF mit dem Ziel, den Schwellenländern und namentlich China mehr Macht zu geben, werden sehr viel schwieriger. Trump könnte zudem versucht sein, den IWF einzuspannen, um vor allem China härter ranzunehmen – etwa beim Thema Währungsmanipulation. Eine Aushöhlung des IWF wäre angesichts seiner Bedeutung jedoch extrem gefährlich.Der Weltbank drohte Trump mehrmals, den Geldhahn abzudrehen. Er sieht insbesondere ihre Hilfen an Schwellenländer wie China kritisch, die nicht zu den ärmsten Staaten zählen. Nur in letzter Minute stimmten die USA im April einer Kapitalerhöhung von 13 Mrd. Dollar zu, knüpften diese aber an strenge Bedingungen. Die Kreditvergaberegeln der Weltbank mussten reformiert werden. Gefährliche ErpressungDiese Art von Erpressung unabhängiger Wirtschaftsinstitutionen ist bedenklich. Die Menschheit braucht die Weltbank zur Armutsbekämpfung, die WTO für einen fairen Welthandel und den IWF zur Sicherung der Finanzstabilität. Dass nun gerade jenes Land die internationale Weltwirtschaftsordnung aushöhlt, das sie selbst mit aufgebaut hat, muss man wohl Ironie der Geschichte nennen. Angesichts der vielen aktuellen Probleme, die nur gemeinsam und mit Einbindung der großen Wirtschaftsmächte wie den USA gelöst werden können, ist es aber eine sehr traurige Ironie.