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Trump ist nicht Achilles

Börsen-Zeitung, 2.8.2018 Die Aktienmärkte sind über die aktuellen Ereignisse offensichtlich extrem beunruhigt. Vor allem befürchten sie, dass Donald Trump mit seiner Abschottungspolitik eine Wirtschaftskrise oder mindestens eine starke...

Trump ist nicht Achilles

Die Aktienmärkte sind über die aktuellen Ereignisse offensichtlich extrem beunruhigt. Vor allem befürchten sie, dass Donald Trump mit seiner Abschottungspolitik eine Wirtschaftskrise oder mindestens eine starke wirtschaftliche Abkühlung in China auslöst. Die chinesische Börse hat seit Jahresbeginn bereits 15 % ihres Werts eingebüßt. Dasselbe gilt für den Markt in Argentinien, der allerdings auf deutlich wackligeren Füßen steht. Außerdem hegen internationale Anleger seit einem Monat großes Misstrauen gegen Anleihen und Währungen aus Schwellenländern (die chinesische Währung eingeschlossen). Liegen die Anleger richtig, wenn sie in Donald Trump eine Art modernen Achilles sehen, den der Zorn in einen erbitterten Kampf gegen den Feind treibt, der erst mit dessen Vernichtung endet? Ohne dem US-Präsidenten zu nahe zu treten, erscheint es doch fraglich, ob er das Profil eines griechischen Helden von Homer hat. Theoretischer UnterbauDonald Trump wird derzeit von Beratern unterstützt (insbesondere seinem Wirtschaftsberater Peter Navarro und dem Berater für nationale Sicherheit John Bolton), die die von China ausgehende strategische, existenzielle Bedrohung für die Vereinigten Staaten theoretisch untermauern. Wenn die bis dato verkündeten Handelsfeindseligkeiten nur der Anfang eines groß angelegten Angriffs auf den Plan “Made in China 2025” sind, auf den Staatspräsident Xi Jinping seine mittelfristige Vision für China stützt, beginnt der Konflikt gerade erst. Der chinesische Präsident wird sein ehrgeiziges Ziel nicht aufgeben, sein Land an die Spitze der Wertschöpfungskette in der Industrie im Allgemeinen und im Technologiesektor im Besonderen zu befördern. Doch es wäre etwas widersprüchlich festzustellen, dass Trump sein politisches und wirtschaftliches Programm wie ein gewiefter Immobilienprofi pragmatisch abspult, und gleichzeitig den doktrinären Ideologen in ihm zu fürchten. Seine politische Zukunft hängt zunächst von der Wahl am 6. November ab, bei der die Republikaner versuchen werden, im Kongress die Mehrheit zu behalten, die sie derzeit zu verlieren drohen. Donald Trump hat gut verstanden, dass der Kampf um die Handelsbilanz ein politisches Schlüsselthema ist, genau wie die Immigration für Matteo Salvini in Italien. Aber er weiß auch, dass große, übergeordnete Ziele dort enden, wo sie Einzelinteressen betreffen. Sobald sich eine ausreichende Zahl von US-Unternehmen zu Kollateralopfern seiner Strategie der Abschottung erklären, wird Trump wissen, dass es an der Zeit ist, sich mit seinen Handelspartnern zu einigen, um aus einer möglichst guten Position in die Wahl zu gehen. Solange die langfristigen Ziele Chinas unangetastet bleiben, könnte das Reich der Mitte durchaus einen “Deal” anbieten, den Trump als Triumph präsentieren könnte. Ob eine solche Einigung unmittelbar bevorsteht, ist jedoch unsicher, da die US-Wahlen erst in vier Monaten stattfinden. Daher ist in den kommenden Wochen mit anhaltender Nervosität an den Märkten zu rechnen, bis mit einem zweifellos kräftigen Händedruck endlich eine oder mehrere Einigungen besiegelt werden. Heimtückisches RisikoDas mit diesen unkontrollierten protektionistischen Maßnahmen verbundene Risiko für die Anleger ist heimtückisch – vielleicht mehr, als es zunächst den Anschein hat. Kurzfristig sind die Panikbewegungen sicher übertrieben und allein einem erneuten Anstieg der Volatilität an den Märkten zuzuschreiben. Die Ursache dafür liegt in den für öffentlich geführte Verhandlungen typischen Selbstdarstellungen und gegenseitigen Überbietungen, vor allem durch einen großen Gaukler, der sich damit brüstet. Die Auswirkung dieser Unsicherheit auf das Vertrauen der Verbraucher und der Unternehmen in ihren globalen Beschaffungsketten stellt über Monate hinweg eine deutlich ernster zu nehmende Gefahr dar. Sie könnte die Wende eines bereits müden und fragilen Konjunkturzyklus beschleunigen, da den Zentralbanken ihre Munition ausgeht und der haushaltspolitische Spielraum in den Vereinigten Staaten und Europa sehr begrenzt ist.—-Didier Saint-Georges, Mitglied des Investmentkomitees bei Carmignac