IM BLICKFELD

Trump mit dem Rücken zur Wand

Von Peter De Thier, Washington Börsen-Zeitung, 8.1.2019 Seit Ende vergangener Woche sieht sich US-Präsident Donald Trump mit einer ernüchternden politischen Realität konfrontiert. Im Repräsentantenhaus sind loyale Republikaner, die während der...

Trump mit dem Rücken zur Wand

Von Peter De Thier, WashingtonSeit Ende vergangener Woche sieht sich US-Präsident Donald Trump mit einer ernüchternden politischen Realität konfrontiert. Im Repräsentantenhaus sind loyale Republikaner, die während der ersten knapp zwei Jahre seiner Amtszeit Gesetzesvorstöße wie seine umfassende Steuerreform problemlos absegneten, die Minderheitspartei. Schwierig wird es nicht nur, neue Gesetze zu verabschieden. Nervös macht den Präsidenten vor allem die Tatsache, dass die Opposition nun die Macht hat, Trumps Steuererklärungen anzufordern. Auch können Demokraten Zeugen vorladen, die eventuell über Kontakte zum Kreml sowie mögliche Interessenkonflikte aussagen können. Nicht auszuschließen ist auch die Möglichkeit eines Impeachment-Verfahrens, welches aber nur symbolischen Charakter haben dürfte, da sich im Senat keine Zweidrittelmehrheit finden würde, um eine Amtsenthebung zu bestätigen. Wie gehabt stellt sich Trump auf die Hinterbeine und bläst zum Angriff. “Wie ich oft gesagt habe: Wenn die Demokraten im Repräsentantenhaus oder Senat eine Mehrheit übernehmen, dann wird es Unruhen an den Märkten geben. Die Dinge werden sich aber beruhigen”, schrieb er auf Twitter. Der “Shutdown”, der nun in die dritte Woche geht, sei ebenso wie die Turbulenzen an den Märkten Schuld der Opposition, wettert er. Egal, wie der Verwaltungsstillstand gelöst wird, ob durch eine einvernehmlich erzielte Übergangsfinanzierung oder die Ausrufung eines “nationalen Notstands”, mit dem der Präsident nun kokettiert, steht der Shutdown lediglich am Anfang einer langen Liste von Problemen. So hat Trump unter anderem versprochen, den befristeten Steuererleichterungen, die ein zentraler Bestandteil des im Dezember 2017 verabschiedeten Reformwerks waren, permanente Rechtskraft verleihen zu wollen. Das werden ihm aber Demokraten ebenso verweigern wie Versuche, den als Obamacare bekannten Affordable Care Act (ACA) weiter auszuhöhlen. So gesehen stellt sich die Frage, ob beide Parteien überhaupt an einem Strang ziehen wollen und inwieweit es möglich sein kann, neue Gesetze zu verabschieden. Völlig hoffnungslos ist die Lage nicht. Einig sind sich Demokraten und Republikaner etwa über die Notwendigkeit von Infrastrukturinvestitionen. Hapern könnte es vor allem dann an der Finanzierungsfrage, wenn die Regierung weiter darauf beharrt, dass Steuersenkungen das Loch in der Staatskasse nicht weiter aufreißen, sondern über ihren konjunkturbelebenden Effekt das Defizit sogar verringern. Einen gemeinsamen Nenner könnte man auch in der Handelspolitik finden. Darüber, dass das 1993 verabschiedete nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta aktualisierungsbedürftig ist, besteht auf beiden Seiten Einigkeit. Ob Demokraten aber die Nachfolgevereinbarung United States-Mexico-Canada Agreement absegnen, wird unter anderem vom Inhalt neuer Maßnahmen zum Umwelt- und Arbeitnehmerschutz abhängen.Überschattet werden diese Themen während der ersten Wochen des 116. US-Kongresses allerdings von einem Debakel, das Trump selbst verschuldet hat und für das vorläufig kein Ende in Sicht ist. Dabei geht es gar nicht mal um Finanzierungsfragen oder staatliche Mittel zum Bau einer Mauer entlang der mexikanischen Grenze. Das Desaster ist zu einem peinlichen politischen Gerangel ausgeartet, das beiden Seiten schlecht zu Gesicht steht und langsam auch gesamtwirtschaftliche Auswirkungen zu entfalten droht.Der kollektive Kaufkraftverlust jener 800 000 Beamten, die seit kurz vor Weihnachten nicht mehr bezahlt werden und ihre Konsumausgaben zurückschrauben mussten, wird ökonomisch gesehen noch einige Zeit zu verkraften sein. Der Shutdown betrifft aber auch Klein- und Mittelbetriebe, deren Anträge auf staatliche Kredite, etwa für Neugründungen, nicht mehr bearbeitet werden. Zudem sitzen landwirtschaftliche Betriebe, die gerade angesichts des Handelsstreits mit China dringend auf Gelder aus Washington angewiesen sind, vorläufig auf dem Trockenen. Das alles könnte auf jene Neueinstellungen durchschlagen, die Trump wie am vergangenen Freitag, als der Arbeitsmarktbericht für Dezember angenehm überraschte, ja gern für sich in Anspruch nimmt. Problematisch ist aber auch, dass die Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS) 90 % ihrer Mitarbeiter nach Hause geschickt hat. Damit wird für ungewisse Zeit für Millionen von privaten Haushalten die Bearbeitung von Steuerrückerstattungen verschoben, die traditionell gerade im ersten Quartal eines neuen Jahres den Privatkonsum kräftig ankurbeln. Sicher ist so oder so, dass der gesamtwirtschaftliche Effekt der politischen Blockade nur eine Frage der Zeit sein wird.Trump will von seiner Forderung nach 5,6 Mrd. Dollar für die Mauer deswegen keine Abstriche machen, weil er weiß, dass seine politische Basis rebellieren würde. Demokraten verweigern ihm das Geld aber mit der Begründung, dass eine Mauer “unmoralisch” sei. Hinter der Moralpredigt verbirgt sich aber eiskaltes politisches Kalkül: Um keinen Preis will die wieder erstarkte Oppositionspartei dem politisch angeschlagenen Präsidenten einen Erfolg gönnen, der ihm hilft, seine Position zu konsolidieren. Die Fronten sind hoffnungslos verhärtet, und solange es keine Einigung zur Beendigung des Shutdown gibt, sind andere politische Vorhaben reines Wunschdenken.