Trump und die Diplomatiewende

Von Peter De Thier, Washington Börsen-Zeitung, 17.11.2016 Das unermüdliche und verbitterte Tauziehen um die Kabinettsbildung des neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump beherrscht die Schlagzeilen. Hinter den Kulissen jedoch ist bei zunehmend...

Trump und die Diplomatiewende

Von Peter De Thier, WashingtonDas unermüdliche und verbitterte Tauziehen um die Kabinettsbildung des neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump beherrscht die Schlagzeilen. Hinter den Kulissen jedoch ist bei zunehmend nervösen Washingtoner Diplomaten, und darunter keineswegs nur Europäern, ein dramatischer Stimmungswandel eingetreten. In der Erwartung eines Siegs der Demokratin Hillary Clinton hatte man sich noch vor wenigen Tagen auf eine reibungslose Übergangsphase zur neuen Regierung eingestellt. Viele der Gesichter an den Schaltstellen der Macht sollten dieselben bleiben, und der Rest der Welt hatte sich auf Kontinuität in der Außen-, Handels- und Umweltpolitik eingerichtet.Die Entspanntheit ist nun Verunsicherung gewichen. Unklar bleibt etwa, wer als Außenminister Chefarchitekt der auswärtigen Beziehungen sein wird. Aus deutscher Sicht gelten berechtigte Sorgen der Frage, inwieweit jene abschätzigen Bemerkungen von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier während des Sommers über den Kandidaten Trump auf die bilateralen Beziehungen durchschlagen werden. So unberechenbar der 45. Präsident auch sein mag, ist sein Langzeitgedächtnis vor allem dann intakt, wenn es darum geht, sich an Feinden zu rächen. Dies gilt nicht nur für die Achse Washington-Berlin. Auch könnte Frankreichs Präsident François Hollande einen Preis dafür zahlen müssen, dass sein Botschafter in Washington nach der US-Wahl via Twitter verkündete, dass “eine Welt vor unseren Augen zusammenbricht”.Befürchtet wird vor allem von jenen Beamten, die den Auftrag haben, in der US-Hauptstadt die bilateralen Beziehungen zu pflegen, dass die Dinge aus dem Ruder laufen könnten. So ist von “harten Zeiten” im transatlantischen Gefüge die Rede. Mit verhaltenem Optimismus klammert man sich an den Wunsch, dass der neue Präsident sich weniger als Demagoge, sondern vielmehr als Pragmatiker entpuppt. Man setzt darauf, dass seine Drohgebärden im politischen Tagesgeschäft verpuffen und er etwa zu der Einsicht gelangt, dass die Nato nicht lediglich ein überflüssiges völkerrechtliches Konstrukt ist, das den USA überproportionale Kosten aufbürdet. Sie hoffen, dass er unter anderem begreift, dass das nordatlantische Bündnis auch der Sicherheit jener Nation dient, die er wieder “great” machen will.Gleichwohl ist die Stimmung ausgesprochen düster. Die transpazifische Partnerschaft TPP, die aus Sicht asiatischer Vertreter in Washington ein Eckpfeiler der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den USA und dem asiatisch-pazifischen Raum werden sollte, hat man gedanklich schon zu den Akten gelegt. Auch sehen Europäer für das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP schwarz. Sie trösten sich lediglich mit dem Hinweis darauf, dass auch in jenen europäischen Ländern, in denen Wahlen anstehen, es Politikern nur recht sein kann, wenn der umstrittene Handelsvertrag auf die lange Bank geschoben wird. Nicht zuletzt hat der Wahlausgang den Startschuss gegeben für ein fieberhaftes Wettrennen unter Diplomaten, die auch vor harten Zeiten stehen, um das beste Netzwerk an neuen Kontakten mit einer Regierung, die nur sehr langsam Konturen annehmen wird. Auch sie tappen noch völlig im Dunkeln. ——–Washingtoner Diplomaten werden mit Blick auf das künftige Beziehungsgeflecht zunehmend nervös.——-