TRUMP ERSCHÜTTERT DIE ÖKONOMISCHE WELTORDNUNG (12): DIE GELDPOLITIK DER USA

Trump und Fed auf Kollisionskurs

Zinserhöhungen als Risiko für Wachstumsversprechen des US-Präsidenten - Widerstand gegen Finanzderegulierung - Komplette Führungsriege neu zu besetzen

Trump und Fed auf Kollisionskurs

Das Weiße Haus ist die vielleicht mächtigste politische Zentrale der Welt, die US-Notenbank Fed die mächtigste Zentralbank der Welt. Unter Trump gibt es nun viel Konfliktpotenzial – was globale Implikationen haben kann.Von Mark Schrörs, FrankfurtSo lautstark US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf gegen die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und namentlich Fed-Chefin Janet Yellen gepoltert hat, so leise ist er bei dem Thema seit seiner Amtseinführung geworden. Nicht wenige Beobachter aber halten das nur für die Ruhe vor dem Sturm: Tatsächlich scheinen Trump und die Fed auf Kollisionskurs zu steuern – sowohl in Sachen Geldpolitik als auch in Sachen Finanzregulierung. Mittel- und langfristig indes hat Trump weitreichende Möglichkeiten, die Fed ganz nach seinem Gusto auszurichten – weil er auf absehbare Zeit fast die komplette Führungsriege neu besetzen kann.Was zwischen Trump und Fed passiert, hat dabei immense globale Implikationen: Die Fed ist noch immer die führende Zentralbank, die großen Einfluss hat auf Wohl und Wehe der globalen Wirtschaft. Der Dollar, dessen Kurs die Fed mitbestimmt, ist trotz aller Unkenrufe immer noch die Weltleitwährung. Und das US-Finanzsystem, für dessen Aufsicht die Fed maßgeblich verantwortlich ist, ist das wichtigste der Welt. Yellen soll sich “schämen”Konfliktthema Nummer 1 ist die Geldpolitik: Im Wahlkampf hatte Trump der Fed und Yellen vorgeworfen, die Leitzinsen künstlich niedrig zu halten, um so den damaligen Präsidenten Barack Obama und damit auch Trump-Konkurrentin Hillary Clinton zu unterstützen – obwohl sich Trump selbst auch einmal als Freund niedriger Zinsen, als “low-interest rate person”, tituliert hatte. Yellen solle sich “schämen”, hatte Trump gelästert. In jüngster Zeit hielt sich Twitter-König Trump zwar mit Kommentaren zurück. Sein Wirtschaftsberater Gary Cohn lobte die Fed Mitte März sogar: Die US-Notenbank mache “einen guten Job”.Die Frage aber ist, wie lange dieser Burgfrieden hält. Denn eins ist klar: Steigende Leitzinsen der Fed können Trumps Versprechen, das Wirtschaftswachstum zu erhöhen oder gar zu verdoppeln, leicht in die Quere kommen. Dass die Fed ausgerechnet nach seiner Wahl das Tempo der Zinsnormalisierung verschärft, dürfte Trump da kaum schmecken. Die Fed wiederum argumentiert mit der guten Wirtschaftslage und gesunkenen Risiken – weswegen sie auch wenig davon hält, die ausgelastete US-Wirtschaft über, zumal schuldenfinanzierte, Fiskalprogramme zusätzlich anzukurbeln.Je mehr Trump künftig also auf das wirtschaftspolitische Gaspedal tritt und dabei auch eine steigende US-Verschuldung und mehr Inflation in Kauf nimmt, desto stärker dürften Yellen & Co. auf das geldpolitische Bremspedal treten. Yellen ihrerseits hat jedenfalls sehr klargemacht, dass sie nicht zulassen werde, dass die US-Wirtschaft “heißläuft”.Eine besondere Rolle kommt dabei auch dem Dollar zu: Trump hatte sich noch vor Amtsantritt Mitte Januar über einen zu starken Dollar beklagt. “Das bringt uns um!”, wetterte er. Viele werteten das als Abgesang auf die lange Zeit öffentlich verfolgte “Politik des starken Dollar”. Mit Zinserhöhungen aber macht Yellen den Dollar nur noch attraktiver.Konfliktthema Nummer 2 ist die Finanzaufsicht und -regulierung. Trump setzt auf eine Deregulierung der US-Banken – was auch in Kreisen der G 20 tiefe Sorgen verursacht hat. Eine Lockerung der Finanzaufsicht sei “das Letzte, was wir jetzt brauchen”, sagte etwa Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Anfang Februar. Auch die Fed warnt vor einem Aufweichen von Regulierung und Aufsicht.Bei einer Anhörung im US-Kongress Mitte Februar erinnerte Yellen daran, dass die USA eine “verheerende Finanzkrise” durchlebt hätten. Die Kongressmitglieder und die Öffentlichkeit hätten danach darauf gedrängt, das Finanzsystem sicherer und stärker zu machen. “Ich denke, dass wir das getan haben”, sagte sie. Trump indes sorgt sich, dass das Dodd-Frank-Regelwerk mit neuen Vorgaben für die Banken den Instituten nicht genug Spielraum lässt, um Kredite zu vergeben.Was der ganzen Sache zusätzliche Brisanz verleiht, ist die Tatsache, dass Trump in den nächsten Monaten und Jahren die Möglichkeit hat, eine ganze Reihe Spitzenposten bei der Fed neu zu besetzen. Langjährige Beobachter sprechen schon davon, dass Trump wie wohl lange kein Präsident vor ihm über Möglichkeiten verfüge, die Fed umzukrempeln. So mancher redet gar schon von einer neuen “Ära” für die Fed.Bereits seit langem sind im Board of Governors, dem Direktorium, zwei von sieben Posten unbesetzt. Das Board führt die Tagesgeschäfte und die Mitglieder sitzen im obersten Fed-Führungsgremium, dem Federal Open Market Committee (FOMC), also dem Offenmarktausschuss, der über die Geldpolitik entscheidet (siehe Grafik). Die Republikaner im Kongress hatten Ex-Präsident Obama bei den Besetzungen ausgebremst. Unter diesen zwei Posten ist auch jener eines Vizepräsidenten, der sich mit der Finanzaufsicht und -regulierung befassen soll. Seit gestern ist nun zudem ein dritter Posten vakant, weil Daniel Tarullo wie angekündigt vorzeitig ausgeschieden ist. So mancher Beobachter spekuliert zudem auf einen baldigen Abgang von Lael Brainard, weil sie als Unterstützerin der Demokraten und von Clinton gilt. In der ersten Jahreshälfte 2018 schließlich enden dann auch die Verträge von Yellen und Fed-Vize Stanley Fischer – und bei beiden gilt es als nahezu ausgeschlossen, dass Trump sie verlängert. Beide könnten dann als einfache Board-Mitglieder weitermachen. In der Regel scheiden Chef und Vize aber nach dem Ende ihrer Amtszeit auch aus dem FOMC aus.Aktuell im Fokus steht insbesondere der derzeit vakante Posten des Vizepräsidenten – eben weil Trump seine Deregulierungsagenda verfolgt. Tarullo, der sich zuletzt kommissarisch um das Portfolio gekümmert hatte, hatte dagegen Dodd-Frank wesentlich mit vorangetrieben. Lange Zeit galt General-Electric-Manager David Nason als Trumps Wunschkandidat für den Vize-Posten. Nason sagte aber Anfang März ab, wohl auch wegen des Widerstands in Reihen der Republikaner. Sie verübelten ihm offenbar, dass er als früherer Vizefinanzminister die Bankenrettung mit Staatsgeldern vorangetrieben und Dodd-Frank gutgeheißen hatte. Grundsätzlich allerdings dürften sich Trump und seine Republikaner leicht auf einen Kandidaten einigen können, da beiden an weniger Regulierung gelegen ist. InteressenkonflikteWas die Board-Posten insgesamt betrifft, könnte das aber etwas schwieriger werden – weil es in Sachen Geldpolitik durchaus Interessenkonflikte geben kann. Auch wenn Trump mit widersprüchlichen Aussagen zur Geldpolitik für Verwirrung gesorgt hat, gilt er als jemand, dem nicht an einer allzu restriktiven Notenbank gelegen ist. Viele Republikaner dagegen sehen die extrem lockere Geldpolitik der vergangenen Jahre sehr kritisch; viele Ökonomen, die ihnen zugeneigt sind, stammen aus dem Lager der “Falken”, der geldpolitischen Hardliner. Auch die Pläne einiger republikanischer Abgeordneter für eine stärkere Regelbindung der Fed liefen aktuell auf deutlich höhere Leitzinsen hinaus.Solche Fragen dürften dann insbesondere bei der Yellen-Nachfolge schlagend werden. Als Kandidaten werden unter anderem John Taylor, Stanford-Wirtschaftsprofessor und Erfinder der sogenannten Taylor-Regel für die Geldpolitik, und Glenn Hubbard, Wirtschaftsprofessor an der Universität Columbia, gehandelt. Insbesondere Taylor gilt aber eher als Hardliner. Bessere Chancen rechnen Beobachter da schon dem früheren Fed-Direktoriumsmitglied Kevin Warsh ein. Als weiteren Kandidaten haben Experten Fed-Notenbanker Jerome Powell auf der Rechnung, ein gemäßigter Republikaner, der auch in demokratischen Kreisen Respekt genießt. Trump hat aber in den ersten Wochen seiner Präsidentschaft bewiesen, dass er für Überraschungen gut ist – was das Rennen um die Yellen-Nachfolge besonders spannend macht, aber auch die Unsicherheit über den Fed-Kurs erhöht.Langfristig noch viel entscheidender sind indes andere, fundamentale Fragen. So wird nicht wenigen Republikanern und auch manchen, die nun wichtige Posten bekleiden, nachgesagt, dass sie das duale Mandat der Fed aus Vollbeschäftigung und Preisstabilität abschaffen und die Fed allein auf die Sicherung stabiler Preise verpflichten wollen.Vor allem aber ist nach den Lehren der Weltfinanzkrise, für die auch eine zu laxe Geldpolitik der Fed verantwortlich gemacht wird, eine Debatte entbrannt, ob die US-Notenbank einer stärkeren politischen Überprüfung und Kontrolle unterstellt werden sollte (“Audit the Fed”) und ob sie stärker an Regeln gebunden werden sollte. Die Fed solle sich konkret an einer Benchmark wie der Taylor-Regel orientieren und erklären müssen, wenn sie davon abweicht, fordern Republikaner. Einer der Unterstützer, Rand Paul, erklärte zuletzt, solche Vorhaben hätten die Rückendeckung von Trump. Der US-Präsident selbst hatte sich im Wahlkampf für eine stärkere Kontrolle der Fed ausgesprochen. Seine genaue Position ist aber bislang noch unklar.Die bisherige Fed-Führung sieht solche Ideen jedenfalls extrem kritisch. Die Notenbanker sorgen sich um eine Einflussnahme der Politik auf die Geldpolitik und fürchten den Verlust ihrer Unabhängigkeit. Eine Regelbindung lehnen sie auch vehement ab, weil sie befürchten, so nicht genug Flexibilität zu haben. Auch da gibt es also noch viel Konfliktstoff.—-Zuletzt erschienen:- Teil 9: Interview mit IfW-Präsident Dennis Snower (30.3.)- Teil 10: Ein anderes Spiel (31.3.)- Teil 11: Washington auf Schuldenkurs (5.4.)