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Trumps Autozölle: Gefährliche Instrumente im Welthandel

Von Peter De Thier, Washington Börsen-Zeitung, 30.5.2018 Dank der protektionistischen Anwandlungen von US-Präsident Donald Trump könnte es im Welthandel schon bald an mehreren Fronten zugleich krachen: Das transpazifische Handelsabkommen TPP gehört...

Trumps Autozölle: Gefährliche Instrumente im Welthandel

Von Peter De Thier, WashingtonDank der protektionistischen Anwandlungen von US-Präsident Donald Trump könnte es im Welthandel schon bald an mehreren Fronten zugleich krachen: Das transpazifische Handelsabkommen TPP gehört in seiner ursprünglich angedachten Form der Vergangenheit an. Die Signale mehren sich, dass Trump innerhalb weniger Wochen das seit 1994 bestehende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta mit Kanada und Mexiko aufkündigen könnte. Die transatlantische Freihandelszone TTIP ist faktisch begraben, am 1. Juni drohen zudem der Europäischen Union (EU) Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumexporte in die USA. Und nun winken auch noch Einfuhrzölle auf BMWs, Mercedes, Toyotas, Hyundais und andere ausländische Autos.Der Präsident hat neue Machtinstrumente entdeckt, die ihn befähigen, ohne Rücksicht auf internationales Handelsrecht oder die gesamtwirtschaftlichen Folgen seiner Alleingänge folgenschwere Sanktionen gegen jede beliebige Industriebranche anzuordnen. Experten sehen nicht nur akute Gefahren für die Welthandelsordnung. Insbesondere verkennt Trump, dass er der heimischen Konjunktur und speziell Wählern schadet, die den bedeutendsten Teil seiner politischen Basis ausmachen. Durchaus nachvollziehbar war noch im April die Entscheidung des Weißen Hauses, eine Passage aus einem 44 Jahre alten Handelsgesetz aus der Schublade zu holen, welche konkret gegen chinesischen Datenklau angewandt werden sollte. Paragraf 301 ermächtigt den US-Präsidenten, “alle angemessenen Schritte” zu unternehmen, wenn die Handelspraktiken eines Partnerlandes die US-Wirtschaft “behindern” oder “belasten”. Die “Commission on the Theft of American Intellectual Property” schätzt, dass die jährlichen Verluste, welche die US-Wirtschaft als Folge des Diebstahls geistigen Eigentums erleidet, zwischen 225 und 600 Mrd. Dollar liegen, wobei unklar ist, welcher exakte Anteil davon auf das Reich der Mitte entfällt. Dass Trump 50 Mrd. Dollar an Strafzöllen anordnete, wurde in der Branche begrüßt und erschien angesichts des Schadens, den die Verstöße der US-Industrie zufügten, angemessen. Gewendet hatte sich das Blatt aber schon einige Wochen zuvor. US-Handelsminister Wilbur Ross, der Handelsbeauftragte Robert Lighthizer und Trumps protektionistisch veranlagter Berater Peter Navarro hatten den Präsidenten auf ein noch älteres Gesetz aus dem Jahr 1962 hingewiesen. Paragraf 232 des “Gesetzes zur Ausweitung des Handels” (Trade Expansion Act) würde unter Verweis auf angebliche Risiken für die nationale Sicherheit Tür und Tor öffnen für Sanktionen gegen jede denkbare Branche. Ob es um Stahl- und Aluminiumimporte geht, welche Trumps Wählern im Westen Pennsylvanias, wo viele Stahlkocher beheimatet sind, ein Dorn im Auge sind, oder Produkte, die den Präsidenten einfach persönlich irritieren, wie dies seit langen Jahren etwa bei deutschen Autos der Fall ist. Nach Lust und Laune könnte er so gegen jede beliebige Produktgruppe Sanktionen dekretieren.Und er ist auf dem besten Wege dahin. Zunächst mit der Anordnung von Stahl- und Aluminiumzöllen, bei denen die Freistellung für die EU diesen Freitag abläuft. Vergangenen Mittwoch legte Trump dann mit der Ankündigung nach, Ross werde prüfen lassen, welche “Risiken” importierte Autos darstellten. Dass die zugrunde liegende Argumentation an den Haaren herbeigezogen ist, wird vom entsprechenden Empfehlungsschreiben des Handelsministeriums illustriert. Unter anderem ist von “Beweisen” dafür die Rede, dass “Autoimporte seit Dekaden zur Erosion der heimischen Autoindustrie geführt haben”. Behauptet wird, dass seit 1998 der Anteil ausländischer PkW, Sportgeländewagen, Minivans und Kleinlaster an sämtlichen Wagen, die in den USA verkauft werden, von 32 auf 48 % gestiegen sei. Zudem sei von 1990 bis 2017 die Beschäftigung in der Branche um 22 % zurückgegangen. Nun gelte es, zu prüfen, ob der “interne Schaden für die Volkswirtschaft” auch die nationale Sicherheit der USA gefährde. Während die Empfehlung formal vom Handelsressort ausgeht, muss die endgültige Entscheidung, die dann wiederum das Inkrafttreten der Zölle zur Folge hätte, vom Verteidigungsministerium getroffen worden. Das aber wäre vermutlich reine Formsache. Experten nehmen kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, die Absurdität der Argumentation zu geißeln. William Reinsch vom Center for Strategic and International Studies (CSIS), der unter Präsident Bill Clinton Staatssekretär im Handelsministerium war, meint, dass “man sich darüber eigentlich nur kaputt lachen kann.” Zu behaupten, dass Autoeinfuhren die nationale Sicherheit gefährdeten, sei eine hanebüchene Argumentation, die “nicht nur zur Unterbrechung globaler Lieferketten, sondern vor allem auch zu Stellenverlusten in den USA führen würde”, sagt Reinsch. Scharf urteilt auch John Bozzella, CEO von Global Automakers, der in den USA die Interessen ausländischer Autohersteller vertritt. Laut Bozzella besteht die Ironie der angedrohten Autozölle darin, dass außer Trump “niemand diese gefordert hat, nicht einmal in der amerikanischen Autoindustrie”. Die Unternehmen ebenso wie Verbraucherverbände wüssten nämlich genau, dass ihnen mehr Schaden als Nutzen entstehen würde, nicht zuletzt auch durch die Retorsionsmaßnahmen, die von europäischer Seite sowie anderen Handelspartnern zu erwarten wären.Bleibt der Präsident auf Kurs und setzt die Zölle nach Prüfung durch das Handels- und Verteidigungsministerium auch tatsächlich um, “dann wird dies für Kunden weniger Auswahl und höhere Preise zur Folge haben, und daran haben weder die Hersteller noch die Konsumenten Interesse”, ist Bozzella überzeugt. Ändern würde Trump seine Meinung wohl nur dann, wenn er verstünde, dass die Leidtragenden vor allem seine eigenen Wähler wären, von Bergarbeitern in West Virginia über Stahlkocher in Ohio und Pennsylvania bis hin zu den Autoherstellern in Michigan. Hoffnungen, dass der Präsident einsichtig wird, hegen aber die wenigsten.