Türkei senkt Leitzins deutlich
Die türkische Notenbank hat den Leitzins deutlich abgesenkt. Der neue Notenbankchef Murat Uysal hat geliefert, was Präsident Recep Tayyip Erdogan von ihm erwartet hat. Der Schlüsselsatz ermäßigte sich um 4,25 Punkte auf jetzt 19,75 %. Derweil wachsen die Zweifel an der Unabhängigkeit der Notenbank.arp Frankfurt – Die türkische Notenbank hat einen deutlichen Zinsschritt vollzogen. Der Schlüsselsatz in dem von hoher Inflation gebeutelte eurasischen Land wurde auf 19,75 % festgelegt, zuvor hatte er 24 % betragen. Zwar hatten Analysten eine Absenkung des Leitzinses allgemein erwartet, aber lediglich mit einer Zinssenkung von 2,5 Punkten gerechnet.Gänzlich unpolitisch ist die Entscheidung der türkischen Notenbank wohl nicht. Erst Anfang Juli hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den bisherigen Zentralbankgouverneur Murat Cetinkaya sozusagen übers Wochenende aus dem Amt entfernt und als Nachfolger seinen Vize Murat Uysal berufen.Cetinkaya, der im April 2016 zum Zentralbankgouverneur ernannt worden war, stemmte sich im September vergangenen Jahres mit einer kräftigen Zinserhöhung gegen den Verfall der Landeswährung Lira. Das war auf dem Höhepunkt der Spannungen zwischen den USA und der Türkei. Letztere hatte den US-amerikanischen Pastor Andrew Brunson festgesetzt. Die USA antworteten mit Wirtschaftssanktionen. In der Folge war die türkische Landeswährung im freien Fall, gegenüber dem Dollar aber auch dem Euro. Eine gefährliche Situation für das aufstrebende Land am Bosporus. Viele Schulden wurden in Fremdwährung aufgenommen: Dollar oder Euro. In der Folge setzte eine Teuerungsspirale ein. So lag die türkische Inflationsrate im Oktober vergangenen Jahres bei über 25 %. Nachlassende InflationMittlerweile ist die Teuerung in der Türkei wieder auf rund 16 % zurückgegangen. Cetinkaya schraubte den Leitzins aber nicht nach unten, was Erdogan enorm missfiel. Der türkische Präsident hat nie einen Hehl daraus gemacht, Gegner von hohen Zinsen zu sein. Sein Kalkül: Niedrige Zinsen kurbeln die Wirtschaft an. Ein Standpunkt, den er mit seinem Amtskollegen in den USA durchaus teilt. Im ersten Quartal dieses Jahres ging die Wirtschaftsleistung der Türkei um 2,6 % zurück.Erdogan ist zudem im Gegensatz zur gängigen Wirtschaftslehre der Meinung, dass ein hoher Leitzins nicht ein Mittel gegen die Inflation ist, sondern eine Ursache. Cetinkayas Weigerung, die Zinsen zu senken, hat ihn wohl das Amt gekostet. Sein Nachfolger Uysal, der ohnehin als Befürworter einer lockeren Geldpolitik gilt, lieferte, was Präsident Erdogan von ihm erwartet hatte. Der unerwartet deutliche Zinsschritt wurde von der türkischen Zentralbank damit begründet, dass jüngste Daten auf eine moderate Erholung der Wirtschaft hindeuten würden. Lira unter DruckUnter Investoren wächst indes die Befürchtung, dass die türkische Notenbank ihre Unabhängigkeit eingebüßt hat, was auch dem Wert der türkischen Lira zusetzt. Erdogan selbst nährte die Zweifel an der Unabhängigkeit, als er nach dem Rausschmiss von Cetinkaya sagte, dass von nun an die Zentralbank die Regierung viel stärker unterstützen werde.Ökonom Timothy Ash vom Vermögensverwalter Blue Bay Asset Management wird von der Nachrichtenagentur Reuters dahingehend zitiert, dass die Währungshüter die Zinsen “weiter aggressiv” senken werden, falls sich die Lira stabilisieren sollte. Davon ist die Lira aber noch ein gutes Stück entfernt. So geriet sie auch nach dem Zinsentscheid wieder unter Druck. Und auch neue US-Sanktionen hängen noch wie ein Damoklesschwert über der Türkei. Denn das Land beharrt darauf, gegen den Willen Washingtons das russische Abwehrsystem S-400 zu kaufen. Als eine erste Konsequenz hatten die USA die Türkei bereits vom Programm zum Bau des US-Kampfjets F-35 ausgeschlossen.