Türkische Notenbank erhöht Leitzins

Anhebung auf 24 Prozent - Währungshüter bekräftigen Unabhängigkeit

Türkische Notenbank erhöht Leitzins

jw Frankfurt – Statt der Europäischen Zentralbank stand am gestrigen Donnerstag ausnahmsweise eine andere Zentralbank im Fokus der Finanzmärkte. Die türkische Notenbank überraschte die Anleger dann auch noch – im Gegensatz zur Juli-Sitzung – äußerst positiv: Sie hob den Leitzins für einwöchiges Zentralbankgeld von 17,75 auf 24 % an. Ökonomen hatten lediglich mit einer Anhebung auf 22 % gerechnet. Die Leitzinserhöhung verschafft dem Schwellenland damit Luft in der Währungskrise, nachdem die Lira seit Jahresbeginn um 40 % gefallen war und die Inflation im August mit knapp 18 % ein 15-Jahres-Hoch erreicht hatte. Die Notenbank begründete ihren Schritt damit, dass es “erhebliche Risiken” für die Preisstabilität gebe. Sie werde “weiterhin alle verfügbaren Instrumente nutzen, um das Ziel der Preisstabilität zu erreichen” und werde eine straffe Haltung beibehalten, bis die Inflation eine “signifikante Verbesserung” zeige.Bis kurz vor dem Zinsentscheid um 13 Uhr mitteleuropäischer Zeit war die Spannung an den Märkten erheblich, da es als unsicher galt, ob die Notenbank sich gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan – der als Gegner hoher Zinsen gilt – stemmen würde. Nur wenige Stunden vor der Notenbanksitzung hatte Erdogan erneut niedrigere Zinsen gefordert. “Wer sagt: Inflation ist die Ursache und Zinsen das Ergebnis, der kennt sich nicht aus in diesem Geschäft”, sagte der 64-Jährige bei einem Treffen mit Vertretern von Handel und Handwerk in Ankara. Zinsen seien ein “Werkzeug der Ausbeutung” und die steigenden Preise im Land eine Folge falscher Schritte der Zentralbank. Die Währungshüter seien jedoch unabhängig und träfen ihre Entscheidungen zu den Zinsen in eigener Regie. Jene Unabhängigkeit bekräftigten die Notenbanker um Präsident Murat Cetinkaya kurze Zeit später, indem sie sich dem Plädoyer von Erdogan für niedrigere Zinsen widersetzten.Es waren nicht zuletzt die Sorgen der Investoren gewesen, Erdogan könnte der Zentralbank in ihre Entscheidungen hineinreden, welche die Krise der Landeswährung Lira mitausgelöst hatten. In den letzten Wochen hatte der Staats-, Regierungs, Militär-und Parteichef seine Kontrolle über die Finanzinstitutionen im Land immer mehr ausgeweitet. Kurz nach seiner Amtsvereidigung Anfang Juli folgte ein Erlass laut dem er Gouverneur und Vizegouverneur der Zentralbank künftig allein auswählen darf, zudem machte er seinen Schwiegersohn Berat Albayrak zum Finanzminister. Am Mittwoch ernannte er sich selbst zum Chef des 200 Mrd. Dollar schweren türkischen Staatsfonds TVF. Gestern beschloss die Regierung dann, dass Immobiliengeschäfte nur noch in Lira abgeschlossen werden dürfen – auch alle bereits in ausländischer Währung abgeschlossenen Verträge müssen binnen 30 Tagen umgeschrieben werden.Investoren und Ökonomen zeigten sich daher nach der Notenbankentscheidung sichtlich erleichtert. Die Landeswährung erreichte ein Tageshoch von 6 Lira pro Dollar. Weitere Zinsanhebungen sind Ökonomen zufolge jedoch nötig. “Die türkische Notenbank schafft klare Fakten und gewinnt Vertrauen zurück”, sagte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank: “Gut gemacht, so funktioniert Krisenpolitik.” Andere warnten, dass die Lira-Krise jedoch noch nicht vom Tisch sei. “Die Zentralbank muss weitere Schritte unternehmen, um das Vertrauen der Investoren in die Türkei wieder herzustellen”, wird etwa Sören Hettler von der DZ Bank von der Nachrichtenagentur Reuters zitiert. Auch Ulrich Wortbeg von der Helaba meint: “Ob dies der Befreiungsschlag für die Lira ist, bleibt abzuwarten. Schließlich hat die Zentralbank weiterhin das Problem, dass das Wachstum schwach ist.” Phoenix Kalen von der Société Générale sieht ein “Good-Cop-Bad-Cop-Spiel” der türkischen Behörden. Andere Experten verweisen darauf, dass die Probleme der Türkei nicht nur auf die Zentralbank zurückzuführen seien. Die Auslandsverschuldung sei weiter hoch, die Wirtschaft entwickele sich schleppend. Solange Erdogan die Notenbank angreife, bleibe deren Glaubwürdigkeit beschädigt.