Ernährungskrise

Ukraine-Krieg treibt Getreidepreise hoch

Die Preise auf den Agrarmärkten steigen. Der Krieg in der Ukraine beschleunigt die Entwicklung. 25 Mill. Tonnen Getreide, die derzeit in der Ukraine feststecken, sollen für Entlastung sorgen.

Ukraine-Krieg treibt Getreidepreise hoch

sp Berlin

Der russische Angriff auf die Ukraine treibt die Importpreise für Weizen, Roggen, Hafer, Gerste und Mais so schnell nach oben wie zuletzt vor mehr als zehn Jahren. Im März kletterten die Einfuhrpreise für Getreide in Deutschland um mehr als 50% im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Es ist der stärkste Anstieg seit 2011, als wetterbedingte Ernteausfälle an den Getreidemärkten zu einem Sprung von knapp 75% führten. „Die Gründe für den Preisanstieg sind vielfältig: eine hohe weltweite Nachfrage und ein verknapptes Angebot aufgrund schlechter Wetterbedingungen in wichtigen Anbauländern wie den USA, Kanada, Australien oder Südamerika, hohe Düngemittelpreise und steigende Transport- und Energiekosten“, schreibt das Bundesamt. Der Krieg in der Ukraine, die wie Russland zu den wichtigsten Exportländern landwirtschaftlicher Produkte weltweit zählt, habe die Preise auf den Agrarmärkten aber noch zusätzlich angetrieben.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) warf Russland am Freitag vor, durch die Blockade von Getreideexporten aus der Ukraine den Hunger gezielt als Waffe einzusetzen. Allein die Hälfte des Weizens für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen komme aus dem Land, sagte Özdemir vor dem Start des G7-Agrarministertreffens in Stuttgart. Die Verknappung und die damit verbundene Erhöhung der Preise seien eine bewusste Kriegsstrategie des Kreml. Der ukrainische Landwirtschaftsminister My­kola Solskyj warnte vor „großen Verlusten“ bei der diesjährigen Weizenernte und nahm die G7 in die Pflicht, Getreideexporte aus der Ukraine zu ermöglichen. Derzeit sei Odessa der letzte freie Seehafen der Ukraine, sagte Özdemir. Man suche gemeinsam mit der EU und den europäischen Partnern nach alternativen Transportwegen für ukrainisches Getreide auf dem Landweg, auf der Schiene oder über die Donau. Nach Angaben der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft stecken derzeit knapp 25 Mill. Tonnen Getreide in der Ukraine fest, die für den Export bestimmt sind.

Weizen bleibt knapp

Nach den ersten Prognosen des US-Landwirtschaftsministeriums für den Weltmarkt bleibt Getreide auch im nächsten Wirtschaftsjahr knapp. Demnach wird etwa die weltweite Weizenproduktion 2022/23 um 4,5 Mill. Tonnen auf knapp 775 Mill. Tonnen sinken, weil erwartete Produktionsrückgänge in der Ukraine und in Australien nur teilweise ausgeglichen werden können. Demgegenüber steht ein erwarteter Weizenverbrauch von 787,5 Mill. Tonnen, der ebenfalls leicht rückläufig prognostiziert wird. Die Weizenproduktion in der Ukraine veranschlagt das US-Ministerium im nächsten Wirtschaftsjahr auf 21,5 Mill. Tonnen und damit auf 11,5 Mill. Tonnen weniger als 2021/22. Die Exportprognose für Weizen aus der Ukraine fällt mit 10 Mill. Tonnen Weizen wegen der erwarteten logistischen Probleme nur noch halb so hoch wie für die laufende Saison aus.

Dabei sind die zum Teil verminten Schwarzmeer-Routen, zerstörte Binnenhäfen und Bahnstrecken nach Einschätzung der ukrainischen Regierung nicht das größte Problem für die Agrarexporte. Die anspruchsvollste Hürde sei die begrenzte Bereitschaft von Versicherungen, die Transporte unter den derzeitigen Bedingungen zu bezahlbaren Prämien abzusichern, sagte der stellvertretende ukrainische Landwirtschaftsminister Roman Rusakow vor wenigen Tagen bei einer Veranstaltung der „Agrarzeitung“. Hinzu kämen die geringen Kapazitäten in der Zollabfertigung und die mangelnde Verfügbarkeit von Güterwaggons. „Die Ukraine könnte im Augenblick mehr Agrarexporte durchführen als tatsächlich stattfinden“, betonte Rusakow. Der Krieg habe die Exportkapazitäten zwar geschwächt, im Wesentlichen seien sie aber weiterhin funktionsfähig.

Auf den Agrarmärkten zeichnet sich nach Einschätzung von Analysten der Rabobank dennoch ein anhaltend hohes Preisniveau ab. Für Weizen an der Euronext rechnen sie im zweiten Quartal mit einem durchschnittlichen Preis von 410 Euro pro Tonne und 380 Euro im zweiten Halbjahr, bevor sich zum Jahresbeginn 2023 mit 340 Euro pro Tonne eine leichte Erholung abzeichnet. Mit der Erholung der ukrainischen Exporte rechnen die Analysten erst in einigen Jahren, auch wenn der Krieg schnell zu Ende gehen sollte. Die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland und Weißrussland könnten noch länger dauern und die hohen Öl-, Gas- und Düngemittelpreise deshalb langsamer nachgeben als erhofft, schreibt die Rabobank.