Ukrainische Volkswirtschaft steigt wie Phönix aus der Asche

Zentralbank: Bruttoinlandsprodukt dürfte wieder stärker wachsen - Fundament des Aufschwungs aber noch wackelig - Geringes Vertrauen der Investoren

Ukrainische Volkswirtschaft steigt wie Phönix aus der Asche

Von Eduard Steiner, MoskauVor fünf Jahren begannen die Massenproteste in der Ukraine, die kurz später in die Annexion der Krim und den ostukrainischen Separationskonflikt mündeten. Die wirtschaftlichen Folgen waren ein Desaster. Inzwischen jedoch scheint sich das Blatt zu wenden. Aber das Land bleibt verwundbar.So ganz entspricht die Performance des ukrainischen Börsenleitindex allerdings nicht den Vorstellungen, die man gemeinhin vom Zustand des Landes und seiner Wirtschaft hat. Aber Faktum ist, dass der PFTS-Index dieses Jahr das zweitbeste Ergebnis unter allen Leitindizes der Welt erzielt hat: Um über 84 % stieg er seit Jahresbeginn. Besser entwickelte sich nur der venezolanische IBVC – mit sich verrückt ausnehmenden 43 000 % Plus.Dass sich der in Hrywnja denominierte ukrainische PFTS derart gut behauptete, liegt auch am Basiseffekt und am Wechselkurs der Landeswährung, die vor allem seit Sommer wieder abgewertet hat. In einem gewissen Ausmaß spiegelt er aber doch auch die Dynamik der Wirtschaft, die nach zwei katastrophalen Rezessionsjahren (2014 und 2015) und zwei Jahren der zähen Erholung dieses Jahr nun mit 3,4 % wachsen dürfte, wie die ukrainische Zentralbank prognostiziert. Damit ist das Bruttoinlandsprodukt wieder auf das Niveau vor der Wirtschaftskrise zurückgekehrt, wobei freilich auch die Inflation 2018 wieder auf über 10 % anzieht. Westliche Hilfe wirktDie Wirtschaftskrise ihrerseits hatte ja im Frühjahr 2014 mit der russischen Annexion der Krim und den Separatistenkonflikten in der Ostukraine an Fahrt gewonnen und zu einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 6,6 % im selben Jahr geführt. Die politische Krise hatte freilich schon spätestens am 21. November 2013 begonnen, also heute vor fünf Jahren, mit den Massenprotesten in Kiew.Ein höheres Tempo beim BIP-Wachstum als jetzt ist vorerst allerdings nicht zu erwarten. Für 2019 prognostiziert die Zentralbank einen Wert auf der Höhe der vorjährigen 2,5 %. Das ist nicht wenig für Europas flächengrößten Staat mit seinen 42 Millionen Einwohnern, der seit eineinhalb Jahrzehnten von politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen gebeutelt wird. Und die Ukrainer wissen nur zu genau, dass sie den Ausweg aus der jüngsten wirtschaftlichen Katastrophe, die neben der russischen Politik auch der eigenen Misswirtschaft und der korrupten Oligarchie geschuldet war, der globalen Konjunktur und der westlichen Hilfe zu verdanken haben.Die jüngste Hilfestellung datiert mit dem 19. Oktober. An diesem Tag willigte der Internationale Währungsfonds (IWF) ein, dass die Ex-Sowjetrepublik, als Gegenleistung für saftige Gaspreiserhöhungen um 23,5 %, bis Ende 2019 etwa 3,4 Mrd. Euro an Unterstützung erhält. Damit hat der IWF dem Land seit der dortigen Machtübernahme durch prowestliche Kräfte Anfang 2014 über 11 Mrd. Euro überwiesen. Weitere Milliarden kamen von der Weltbank, der EU und Einzelstaaten. Hinzu kam, dass die EU eine Umorientierung des ukrainischen Exports weg von Russland in Richtung Europa ermöglichte.Aber auch wenn die Richtung der ukrainischen Wirtschaft zu stimmen scheint, auf einem festen Fundament steht sie noch lange nicht. “Die ökonomische Situation ist derzeit nicht so schlecht, aber sie ist nicht stabil und sieht sich sehr großen Risiken ausgesetzt”, sagt Wolodymyr Dubrowski, Chefökonom des unabhängigen Wirtschaftsforschungsinstituts CASE Ukraine, der Börsen-Zeitung: Zu den Hauptrisiken gehöre der Mangel an Rechtsstaatlichkeit, der auch die ausländischen Direktinvestitionen nur begrenzt fließen lässt (2017 waren sie mit 2,2 Mrd. Dollar sogar geringer als 2015). Dazu komme die politische Instabilität, weil sich das Land in einer anhaltenden Revolutionsphase befinde, die für die Parlaments- und Präsidentenwahlen 2019 jegliche Überraschung bergen könne. Schließlich droht laut CASE-Experten der Krieg mit Russland wie ein Damoklesschwert.Wie gering das Vertrauen der Investoren ist, zeigt die fast 10-prozentige Rendite für die zehnjährigen Staatsanleihen, die Ende Oktober platziert worden sind. Selbst mit IWF-Hilfen bleibt die Bedienung der staatlichen Auslandsschulden (etwa 80 % gemessen am BIP) demnach eines der größten Probleme.Immerhin ist das Land auf dem Geschäftsklimaindex “Doing Business” der Weltbank von Platz 152 (2011) auf Platz 76 geklettert. Auch bestehen heute im Unterschied zu 2008 weniger Blasen auf dem Immobilien- und Bankenmarkt. Und die Zahl der Mittelbetriebe ist zuungunsten der oligarchischen Strukturen gewachsen.Verwundbar bleibt die Wirtschaft dennoch. Denn – im Unterschied zur starken Landwirtschaft – wird das Ausmaß der Industrieinvestitionen beschränkt bleiben, da die Arbeitskräfte im Vergleich zu Ostasien teurer sind. Und sollten die Preise für Metalle oder Getreide fallen, bekäme die Ukraine diesen Schlag empfindlich zu spüren.