Paris

Unbeugsame Franzosen

Das schöne Wetter lockte besonders junge Franzosen ins Freie. Die Behörden reagierten. In einem kleinen Ort leisten die Bewohner Widerstand – aber nicht etwa gegen die Coronaregeln, sondern gegen Elon Musks Starlink-Projekt.

Unbeugsame Franzosen

Sie sitzen allein, zu zweit, zu dritt oder gleich in größerer Runde am Fluss, mit oder ohne Maske. Strahlender Sonnenschein hat am Wochenende in Frankreich zahlreiche Menschen an die frische Luft gelockt. Ideale Bedingungen, um sich mit Freunden oder Verwandten auf der Terrasse eines Cafés auf einen Drink zu treffen – normalerweise. Da diese nach wie vor geschlossen bleiben müssen, sind in Großstädten wie Paris, Toulouse und Bordeaux vor allem junge Leute auf die Uferpromenaden ausgewichen. Mit Bier aus dem Supermarkt oder von Verkaufsständen, die Zapfhähne im Freien aufgebaut hatten, saßen sie oft dicht gedrängt zusammen, um die kurze Zeit vor der nächtlichen Ausgangssperre ab 18 Uhr zu genießen.

Nicht umsonst lautet ein nicht nur in Frankreich beliebtes Motto, Regeln seien dazu da, umgangen zu werden. ​Abstandsregeln und Maskenpflicht seien nicht eingehalten worden, erklärte die für Toulouse zuständige Präfektur des Départements Haute-Garonne. Sie hat deshalb für Sonntag beliebte Treffpunkte am Ufer der Garonne gesperrt. Nachdem in Paris am Wochenende 3600 Polizisten und Gendarmen zunächst nur die Einhaltung der Corona-Vorschriften und den Zugang zur Seine kontrollierten, ließ die Stadt Sonntagnachmittag schließlich das Ufer räumen.

Dort war es plötzlich so leer wie an der Promenade des Anglais in Nizza, wo genau wie in Dünkirchen angesichts schwindelerregender Sieben-Tage-Inzidenzen von 722 und 910 eine auf das Wochenende beschränkte Ausgangssperre in Kraft trat. Wie bei der strengen Ausgangssperre vor einem Jahr durften Bürger dort nur aus triftigem Grund und mit Passierschein ihre Wohnung verlassen. Viele Bewohner flohen deshalb vor Inkrafttreten aus Nizza in die nahegelegenen Berge. In 20 weiteren Départements, wo die Sieben-Tage-Inzidenzen inzwischen bei mehr als 250 liegen, könnten bald ähnliche Maßnahmen verhängt werden. Dazu gehört auch der Großraum Paris.

Dort würden diese Woche normalerweise Einkäufer, Fotografen, Journalisten und Stars von ihren Chauffeuren von einer Modenschau zur nächsten kutschiert. Wegen der Pandemie findet die Fashion Week Herbst/Winter 2021/22 derzeit jedoch nur virtuell statt. Der Andrang ist dennoch groß.

So wollen nicht weniger als 93 Modehäuser, darunter bekannte Zugpferde wie Balmain, Chanel, Hermès, Louis Vuitton und Givenchy, ihre neuesten Kollektionen auf der Internetplattform des Mode-Verbandes Fédération de la Haute Couture et de la Mode (FHCM) präsentieren. Mehrere Minimessen, auf denen die Designer-Entwürfe einer streng begrenzten Zahl an Einkäufern präsentiert werden, sind ebenfalls geplant.

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Statt zur Fashion Week reisten einige Journalisten, Experten und Politiker gerade nach Saint-Senier-de-Beuvron, einem von rund 350 unbeugsamen Normannen bevölkerten Dorf, das nicht aufhört, Elon Musk Widerstand zu leisten. Starlink, die auf satellitenbasiertes Internet spezialisierte Tochter von Musks Raumfahrtunternehmen Space X, hat das rund 20 Kilometer vom malerischen Mont Saint-Michel entfernte Saint-Senier-de-Beuvron als einen von vier Standorten in Frankreich für ihre aus weißen, mehrere Meter hohen Kuppeln bestehende Relaisstationen ausgewählt. Die für Telekommunikation zuständige Aufsichtsbehörde Arcep hat bereits grünes Licht gegeben.

Doch die Anwohner der Gemeinde wollen nichts davon wissen. Es sei eine Vorsichtsmaßnahme, dass sich die Gemeinde von Anfang an gegen das Projekt gestellt habe, sagt die stellvertretende Bürgermeisterin Noémie Brault. „Es gibt keine Erfahrungswerte zu diesem ganz neuen System“, meint Bürgermeister Benoît Hamard.

Sein Dorf benötige Studien, wie sich diese Station auf die Böden auswirke und welche Strahlungen davon ausgingen. Die Bewohner, von denen viele landwirtschaftliche Betriebe haben, hätten Angst vor gesundheitlichen Schäden für sich und ihr Vieh. „Wir sind nicht technophob und haben nichts gegen Elon Musk“, sagt Anwohnerin Marie Falguières. „Aber wir wollen wissen, ob für uns Gefahr besteht oder nicht.“