Unsicherheit über Aufschwung in Japan

Unternehmen pessimistischer als Kabinett und Notenbank - Yen drückt Firmenerträge

Unsicherheit über Aufschwung in Japan

mf Tokio – Der Nebel um die Konjunktur in Japan lichtet sich nicht. Erratische Daten und verschiedene Blickwinkel führen zu unversöhnlichen Widersprüchen in den Einschätzungen. So hofft der Finanzmarkt wegen des milliardenschweren Konjunkturprogramms über 13,5 Bill. Yen (119 Mrd. Euro) im Herbst und neuer geldpolitischer Maßnahmen der Notenbank bei ihrem Treffen im September auf einen kräftigen Aufschwung. Dagegen rechnen die meisten Manager privater Firmen mit dem Scheitern dieser koordinierten Geld- und Fiskalpolitik. Laut einer Reuters-Umfrage vom Montag unter 260 mittleren und großen Unternehmen rechnen weniger als 5 % der Befragten damit, dass die Wirtschaft durch die geplanten Maßnahmen angeschoben bzw. das Wachstumspotenzial erhöht wird.Dazu gesellen sich statistische Probleme. Zum Beispiel gingen die Exporte im zweiten Quartal nach Kabinettsdaten um 0,9 % zum Vorquartal zurück, während die Bank of Japan (BoJ) die realen Ausfuhren mit 1,1 % im Plus sah. Dieser Unterschied in den Exportdaten tritt inzwischen seit dem vierten Quartal 2015 auf. Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum im neuen Fiskaljahr (seit 1. April) streuen ebenfalls stark: Die Notenbank reduzierte ihren Ausblick für 2016 kürzlich um 0,2 Punkte auf +1,0 %. Analysten von ausländischen Banken wie Barclays sehen das Wachstum mit + 0,6 % deutlich niedriger. Der Internationale Währungsfonds rechnet fürs Kalenderjahr 2016 sogar nur mit + 0,3 %. Im vergangenen Quartal war die Wirtschaftsleistung lediglich um 0,2 % gestiegen. Flaute in China belastetDer größte Risikofaktor für die japanische Konjunktur scheint die Landeswährung Yen zu sein. Zwar ist Japans Wirtschaft entgegen der landläufigen Auffassung mit einem Anteil von nur einem Sechstel weit weniger exportabhängig als Deutschland. Aber der Exportsektor steuerte in der Vergangenheit im Schnitt mehr als die Hälfte der Wachstumsrate bei. Durch den festen Yen werden die Ausfuhren erkennbar belastet. Das ist ein schlechtes Omen, da die Exporte trotz mehrerer Jahre mit sehr weichem Yen nie das hohe Niveau von vor der Finanzkrise erreichten. Im Juli lagen sie um ein Viertel unter dem Hoch von 2008. Ein zweiter Schwächefaktor ist Chinas gebremstes Wachstum. Das Wirtschaftswunder im Reich der Mitte hatte die Auswirkungen der Finanzkrise auf Japan gemildert. Nun muss Nippons Wirtschaft ohne diesen Rückenwind auskommen.Beide Faktoren schlagen sich in den Firmengewinnen nieder. Im zweiten Quartal 2016 brachen die Erträge der börsennotierten Firmen um 17 % und damit so kräftig ein wie zuletzt 2011, als ein Jahrhundertbeben die Wirtschaft erschütterte. So gingen die Gewinne der fünf größten Kreditinstitute in der Summe um 372 Mrd. Yen (3,3 Mrd. Euro) zurück. Die sechs größten Autobauer meldeten 130 Mrd. Yen Ertrag weniger als im Vorjahr. Toyota, Shiseido und Fast Retailing gehören zu den Branchenführern, die ihre Jahresausblicke kürzten. Für dieses Jahr erwarten Analysten laut Bloomberg zwar einen Anstieg der Firmengewinne um 7 % zum Vorjahr. Aber die Prognosen wurden vor den jüngsten Bilanzzahlen gemacht. Daher dürfte es ab dem Herbst teils kräftige Revisionen geben.Sollte die japanische Währung sich nicht wieder von der 100-Yen/Dollar-Schwelle entfernen, werden die Unternehmen ihre Ausblicke selbst korrigieren. Japan droht also ein zweites Jahr mit Gewinnschmelze in Folge.Unter diesen Umständen fällt es schwer, hinsichtlich der Konjunktur optimistisch zu bleiben. Im jüngsten Reuters-Tankan-Bericht ist der Stimmungsindikator für die Großindustrie bereits um weitere 2 Punkte auf den niedrigsten Stand seit April 2013 gesunken. Lediglich der Bau- und Immobilienbereich stieg wegen der Negativzinsen gegen den Trend auf ein Rekordhoch. Vor diesem Hintergrund spricht eine wachsende Zahl von Japan-Beobachtern inzwischen von einem Platzen der hohen Abenomics-Erwartungen.