Unsicherheiten belasten die Weltwirtschaft
wü Paris – Zunehmende Handelsspannungen und Unsicherheiten in Bezug auf den Brexit, die Finanzmärkte sowie die Ölpreise haben die weltweite Wachstumsdynamik so schwach werden lassen wie seit der Finanzkrise nicht mehr, warnt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Wenn die Regierungen jetzt nicht handelten und in die Zukunft investierten, bestehe die Gefahr, dass das Wirtschaftswachstum noch weiter abnehme. “Unsere größte Furcht ist, dass die Abschwächung des Wachstums strukturell wird”, sagte Chefökonomin Laurence Boone bei der Vorstellung des jüngsten Zwischenberichts zum Wirtschaftsausblick.Darin senkte sie erneut ihre Vorhersagen für einen Großteil der untersuchten Länder. Weltweit rechnen die Experten der OECD nun statt mit 3,2 % wie im Mai nur noch mit einem Wirtschaftswachstum von 2,9 % in diesem Jahr. Für das kommende Jahr reduzierten sie die Prognose von 3,4 % auf 3,0 %. Die deutsche Wirtschaft dürfte 2019 nur um 0,5 % zulegen und 2020 dann um 0,6 %. Noch im Mai war die OECD von einem Wachstum in Deutschland von 0,7 % in diesem und von 1,2 % im nächsten Jahr ausgegangen. Für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA senkte sie die Vorhersage für 2019 von 2,8 % auf 2,4 % und für 2020 von 2,3 % auf 2,0 %.Es handele sich allerdings nicht um eine zyklische Schwäche, urteilt Chefökonomin Boone. Sie plädiert nun für Infrastrukturinvestitionen und Strukturreformen, um die Konjunktur anzukurbeln. “Regierungen sollten unbedingt von den niedrigen Zinsen Gebrauch machen, um in die Zukunft zu investieren, damit dieses schleppende Wachstum nicht zur neuen Norm wird”, sagte die französische Wirtschaftswissenschaftlerin. Die Staaten müssten jetzt handeln. “Geldpolitik hat in der Vergangenheit viel bewirkt, aber jetzt gibt es in den stark entwickelten Volkswirtschaften wenig Spielraum dafür”, so Boone. Dort sollten zusätzlich neben Investitionen auch fiskalpolitische Unterstützungsmaßnahmen durchgeführt werden.Zumal es mehrere Risiken gebe, die das Wachstum noch stärker bremsen könnten als bisher. Dazu würde ein No-Deal-Brexit gehören, der sehr teuer werden und Großbritannien in die Rezession stürzen könnte. Er dürfte das Wachstum aber auch in anderen Volkswirtschaften der Europäischen Union belasten. Zusätzlich zu den Handelsspannungen zwischen den USA und China könnten zudem weitere Handelskonflikte zwischen den USA und Europa sowie zwischen Japan und Südkorea den weltweiten Handel und Investitionen stärker schwächen, als es ohnehin bereits der Fall ist.Diese Eskalationen seien sehr beunruhigend, meint Boone. Der Handel, der nach der Finanzkrise einer der wichtigsten Wachstumsfaktoren war, schrumpfe inzwischen. Neue Zölle könnten Unternehmen dazu zwingen, ihre Produktion zu verlagern. Ihre Produktionseffizienz könnte leiden. Das unsichere Klima hat bereits jetzt dazu geführt, dass sie weniger investieren. So sind die Unternehmensinvestitionen im ersten Halbjahr 2019 nur noch um 1 % gestiegen, nachdem sie Anfang 2018 noch um 5 % zugelegt haben.Neben einer stärker als bisher erwarteten Abschwächung der chinesischen Wirtschaft gehört auch die aus dem schwachen Wachstum, hohen Schulden und der sich verschlechternden Kreditqualitäten resultierende Schwäche der Finanzmärkte zu den Risiken. Investoren hielten große Mengen risikoreicher Verbindlichkeiten, warnt die OECD. Eine deutliche Abschwächung des Umsatzwachstums könnte ihre Risikobereitschaft verändern und zu einem massiven Verkauf von Unternehmensanleihen führen.