Unternehmen bleiben gelassen
Ein Non-Event ist das Brexit-Votum der Briten für die deutsche Wirtschaft zwar nicht, von einem Unsicherheitsschock kann aber auch keine Rede sein. Das Ifo-Geschäftsklima ist im Juli zwar gefallen, aber nicht so stark wie befürchtet.ba Frankfurt – Die deutschen Unternehmen haben mit Gelassenheit auf die Entscheidung der Briten, die Europäische Union verlassen zu wollen, reagiert. Im Gegensatz zu den Finanzmarktakteuren, die laut der Umfrage des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) angesichts des Brexit-Votums deutlich pessimistischer auf die Konjunktur blicken, hat sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft im Juli nur leicht verschlechtert. Die erwartete Schockreaktion ist ausgeblieben, wie das Ifo-Geschäftsklima für Juli zeigt. So ist der wichtigste Konjunkturindikator hierzulande nur leicht um 0,4 auf 108,3 Punkte zurückgegangen, wohingegen Ökonomen einen Rückgang auf 107,5 Zähler avisiert hatten.Laut Ifo haben die weniger optimistischen Erwartungen der Unternehmer das Barometer gedrückt, während sich die Bewertung der aktuellen Geschäftslage leicht verbessert hat. “Die deutsche Konjunktur zeigt sich widerstandsfähig”, resümiert Ifo-Präsident Clemens Fuest das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 7 000 Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe, Bau und Groß- sowie Einzelhandel.Die Ifo-Ergebnisse passen gut ins Bild des am Freitag veröffentlichten Markit-Einkaufsmangerindex (vg. BZ vom 23. Juli), der für Deutschland eine Stimmungsaufhellung angezeigt hatte. Treiber waren vor allem die robuste Lage am Arbeitsmarkt und die insgesamt gute Nachfrage. Am Donnerstag kommt der Arbeitsmarktbericht für Juli – Ökonomen erwarten hier eine unverändert niedrige Arbeitslosenquote. Und auch den Verbrauchern – Stütze der Binnenkonjunktur – wird von Experten zugetraut, dass sie zumindest im Juli weiter konsumieren und das GfK-Konsumklima, das am Mittwoch veröffentlicht wird, auf dem Vormonatsniveau verharrt. Als nächster Stimmungstest steht der von der EU-Kommission erhobene Economic Sentiment für den Euroraum an – hier wird ein Minus prognostiziert.Dass der Ifo-Index im Juli nachgibt, war unter Ökonomen ausgemachte Sache – “die Million-Euro-Frage war, wie stark die Unternehmensstimmung unter dem Brexit leidet”, schilderte Unicredit-Ökonom Andreas Rees. In aller Kürze laute die Antwort, dass die Unternehmen den Brexit und die Ereignisse in der Türkei weggewischt hätten. Die gestrige Reaktion sei eine der (überraschenden) Robustheit und Stärke gewesen, so Rees. Im Vergleich zu anderen Ereignissen wie etwa der Lehman-Pleite, den Sorgen um die chinesische Konjunktur oder der Krise in der Eurozone von 2011/2012 sei der Rückgang des Ifo-Barometers moderat gewesen.Auch Carsten Brzeski, Chefökonom der ING, sagt: (Noch) keine Panik. Allerdings habe die deutsche Wirtschaft in der Vergangenheit regelmäßig einen verschlafenen Eindruck bei der unmittelbaren Reaktion auf dramatische Ereignisse gemacht. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Ifo-Index mit einer Verzögerung von ein oder zwei Monaten auf globale Ereignisse reagiere. In seinen Augen ist es daher noch zu früh, das Brexit-Votum als Non-Event für die Wirtschaftsstimmung hierzulande abzutun. Für Deka-Volkswirt Andreas Scheuerle beginnt die Ursachenanalyse bei einer Ifo-Umfrage aus dem Juni, laut der vor dem Brexit-Referendum 62 % der befragten Firmen mit keinen negativen Auswirkungen des Brexit rechneten. Da 7 % der Exporte nach Großbritannien gingen, dürfte der Schaden als Ganzes einzudämmen sein, so Brzeski. Interessant findet er, dass die Handelsbeziehungen bereits von der Unsicherheit getroffen seien: Im Mai und Juni waren die Exporte von Waren “Made in Germany” um 8 % im Vergleich zum ersten Quartal zurückgegangen. Es wundere ihn jedenfalls nicht, dass die Eintrübung der Geschäftserwartungen vor allem von der Autoindustrie ausging, der am stärksten vom Brexit betroffenen Exportbranche. Laut Ifo berichtete diese Branche im Juli “sogar von pessimistischen Erwartungen”.Der Ifo-Index belege die These, “dass das Brexit-Votum keine tiefen Bremsspuren in der deutschen Wirtschaft hinterlassen wird”, sagt Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Da die Wachstumseinbußen im überschaubaren Rahmen blieben, werde es per saldo weiter heißen: “Ein unspektakuläres Wachstum liegt vor uns.” Dafür spricht auch die robuste Binnennachfrage. Darunter rage derzeit die Entwicklung am Bau heraus, sagt Allianz-Ökonom Rolf Schneider. Hier seien die Rahmenbedingungen so gut wie seit langem nicht mehr. Laut Destatis haben die Betriebe der Baubranche im Mai arbeitstäglich- und preisbereinigt 17 % mehr Aufträge eingesammelt als im Vorjahr. Das Ifo meldet für den Bau “immer neue Rekordwerte”. Aber auch im Dienstleistungssektor habe sich die Stimmung spürbar aufgehellt.