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US-Bundesstaaten trotzen Trump

Initiativen für "100 Prozent saubere Wirtschaft" - Thema prägt Wahlkampf

US-Bundesstaaten trotzen Trump

Von Peter De Thier, WashingtonAls US-Präsident Donald Trump gerade ein halbes Jahr im Amt war, verkündete er, was die Spatzen seit seinem Wahlsieg von den Dächern gepfiffen hatten: den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen. Dass die restliche Staatengemeinschaft das anders sieht und an den Klimazielen festhalten will, liege einzig daran, dass sie die amerikanische Energieindustrie übervorteilen wolle, argwöhnte Trump, der globale Erwärmung für pure Fiktion hält.Trump hat sich aber nicht nur in der fossilen Energieindustrie, die zu seinen großzügigsten Spendern zählt, als ausgesprochener Klimawandelleugner profiliert. Er hat auch die wichtigsten, einschlägigen Regierungsposten, darunter die Spitze der Bundesumweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA), mit Gleichgesinnten besetzt, die selbst enge Beziehungen zur Kohle-, Öl- und Erdgasindustrie haben.Der Bumerang-Effekt macht sich nun im Wahlkampf bemerkbar: Bei keiner anderen Präsidentschafts- und Kongresswahl hat die Umwelt eine so große Rolle gespielt wie in der laufenden politischen Wahlkampagne für 2020. Während Trump das Thema unter den Teppich kehrt, haben die aussichtsreichsten demokratischen Präsidentschaftskandidaten konkrete Pläne parat, und sie haben während der ersten Fernsehdebatte unmissverständlich klargemacht, dass Klimawandel auch im direkten Duell mit dem Präsidenten eine zentrale Rolle spielen soll.Trump hat ganz offensichtlich nicht geahnt, dass seine Entscheidung im Sommer 2017, dem Kampf gegen den Klimawandel und somit der globalen Staatengemeinschaft den Rücken zu kehren, eine politische Lawine lostreten würde. Als unmittelbare Reaktion auf Trumps Austritt hoben nämlich Multimilliardär Michael Bloomberg und Edmund Brown Jr., der frühere Gouverneur Kaliforniens, dessen Umweltgesetze und Initiativen anderen Staaten um bis zu 40 Jahre voraus sind, die Initiative “Accelerating America’s Pledge” aus der Taufe. Schutz von WäldernZiel des dreistufigen Programms ist es zum einen, auf die Verwendung von 100 % “sauberem Strom” hinzuwirken. Zum anderen soll die Dekarbonisierung öffentlicher Gebäude, der Transportwirtschaft und der Industrie erreicht sowie Maßnahmen zum Schutz von Wäldern und anderen Ökosystemen, die Kohlenstoff speichern, durchgesetzt werden. Viele Staaten haben diese Prinzipien sukzessive übernommen und in ihre Gesetzgebung einfließen lassen. An der Westküste gilt das neben Kalifornien auch für den Bundesstaat Washington. An der Atlantikküste haben sich New York, Connecticut, Delaware, Maryland und Vermont Bloombergs und Browns Initiative verpflichtet.Damit aber keineswegs genug: Im Dezember 2018 begannen neun Ostküstenstaaten und die Hauptstadt Washington D.C. mit einem Programm, das Obergrenzen für Schadstoffemissionen bei der Verbrennung von Treibstoffen für den Verkehr vorsieht. Erlöste Mittel sollen dann verwendet werden, um langfristig eine kohlenstoffarme Transportinfrastruktur aufzubauen.Und selbst die US-Notenbank ist in die Klimadebatte eingestiegen. Fed-Notenbankerin Lael Brainard betonte jüngst auf einer umweltpolitischen Konferenz der regionalen Fed San Francisco, dass die Währungshüter zunehmend die Folgen von Wetterkatastrophen für den Arbeitsmarkt, die Produktion, den Privatkonsum und Investitionen berücksichtigen müssten.Dass die Klimapolitik im Wahlkampf große Bedeutung erlangen wird, das unterstrichen die Fernsehduelle zwischen den demokratischen Anwärtern auf die Trump-Nachfolge. Im Gegensatz zum amtierenden Präsidenten ist ihnen nämlich bewusst, dass Umfragen zufolge fast 70 % der wahlberechtigten Amerikaner besorgt sind über die Folgen der globalen Erwärmung.Der demokratische Spitzenreiter Joe Biden etwa plant eine “saubere Energierevolution”, die allerdings mit einem Preisschild von 1,7 Bill. Dollar versehen ist. Sein ambitioniertes Ziel ist es sicherzustellen, dass die USA bis 2050 eine “100 % saubere Wirtschaft” haben, deren Netto-CO2-Ausstoß bei null liegt. Senatorin Elizabeth Warren, die in den meisten Umfragen den zweiten Platz belegt, will Ölbohrungen, Fracking und andere Methoden der Gewinnung fossiler Energien sowohl vor den Küsten als auch auf Gebieten, die dem Staat gehören, ausnahmslos verbieten. Senator Bernie Sanders will ebenfalls, dass die US-Wirtschaft zu 100 % auf erneuerbare Energien umsattelt – und er ist überzeugt, dass damit 20 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden können.