US-Inflation knackt 6-Prozent-Marke
det Washington
Der stärkste Anstieg der US-Verbraucherpreise seit über 30 Jahren hat neue Ängste davor geweckt, dass die hohe Inflation länger als bisher angenommen Bestand haben könnte. Viele Experten rechnen nämlich damit, dass die Störungen in globalen Lieferketten und die daraus resultierenden Versorgungsengpässe bis ins neue Jahr andauern könnten und die Preise weiter nach oben treiben werden. Das wiederum könnte Einfluss haben auf das Tempo, mit dem die Notenbank ihre Anleihekäufe reduziert (Tapering). Indes kündigt Präsident Joe Biden neue Schritte an, um Häfen an der Pazifikküste zu entlasten und die Abfertigung eintreffender Importgüter zu beschleunigen.
Wie das Bureau of Labor Statistics (BLS) des Arbeitsministeriums bekannt gab, stiegen die saisonbereinigten Verbraucherpreise am CPI Index gemessen im Oktober um 0,9%. Im September war ein Plus von 0,4% gemessen worden. Im Vorjahresvergleich verteuerten sich Konsumgüter um 6,2% und an der Kernrate gemessen, die schwankungsanfällige Energie- und Lebensmittelpreise ausklammert, um 4,6%. Die Gesamtrate verzeichnete damit den stärksten Anstieg seit November 1990. Erwartet hatten Bankvolkswirte eine Zunahme der Monatsrate um 0,5% und der Jahresrate um maximal 5,9%.
Getrieben wurde die Inflation von Energiepreisen, die im Vorjahresvergleich um 30% zulegten. Benzin verteuerte sich sogar um 49,6%. Betroffen waren von dem zunehmenden Inflationsdruck aber auch die meisten anderen Unterindikatoren. Insbesondere dreht sich bei Autos die Preisspirale weiter. Gebrauchtwagen waren um 26,4% und Neuwagen um fast 10% teurer als im Oktober 2020. Lebensmittel verteuerten sich um 5,3%, und die Wohnkosten zogen um 3,5% an.
Der steile Anstieg der Verbraucherpreise schlägt mittlerweile auch auf die Einkommen der Privathaushalte durch. So meldete das BLS in einem getrennten Bericht, dass im Oktober zwar die Stundenlöhne um 0,4% zulegten. Wird allerdings die deutlich stärkere Zunahme des CPI Index berücksichtigt, dann schrumpften die Reallöhne gegenüber September um 0,5%. Der einzige Silberstreif in den BLS-Berichten: Der weitere Rückgang der Erstanträge auf Arbeitslosengeld, die vergangene Woche um 4000 auf 267000 sanken und damit den niedrigsten Stand seit der zweiten Märzwoche 2020, also unmittelbar vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie erreichten.
Flexibleres Tapering
Angesichts des zunehmenden Preisdrucks erwartet eine wachsende Zahl von Analysten, dass die Notenbank den Umfang der reduzierten Anleihekäufe anpassen und womöglich früher als bisher angenommen an der Zinsschraube drehen könnte. So habe die Fed zuletzt gesagt, „dass sie bereit sei, bei Änderungen in den Konjunkturaussichten das Tempo der reduzierten Anleihekäufe anzupassen“, stellt James Knightley, Ökonom bei der ING, fest. Die jüngsten Zahlen müssten absolut ausreichen, „um das Tapering zu beschleunigen und frühzeitig abzuschließen“, erwartet Knightley. Auch deutete das Fed Watch Tool der CME Group am Mittwoch darauf hin, dass 2022 zwei Zinserhöhungen anstehen könnten und eine dritte nicht auszuschließen ist. Kathy Bostjancic, Volkswirtin bei Oxford Economics, glaubt hingegen, dass die Versorgungsengpässe die Inflation auch Anfang 2022 höher treiben werden, aber „dennoch mit einem konstanten Tempo des Tapering bis Mitte des Jahres zu rechnen ist“.
Die steigende Inflation hat auch den politischen Druck auf den Präsidenten erhöht. Folglich kündigte Biden an, dass er 17 Mrd. Dollar an Mitteln, die das neue Infrastrukturgesetz bereitstellt, verwenden werde, um die Infrastruktur an überlasteten Importhäfen zu verbessern. Auch haben zehn demokratische Senatoren Biden aufgefordert, ein Verbot von Ölexporten zu verhängen. Auch solle er erwägen, die sogenannte „Strategic Petroleum Reserve“ (SPR) anzuzapfen, um dem steilen Anstieg der Benzinpreise einen Riegel vorzuschieben.