US-Notenbankchef kündigt umfassenden Strategiewechsel an

Inflationsziel von 2 Prozent wird gelockert - Vollbeschäftigung rückt stärker in den Fokus

US-Notenbankchef kündigt umfassenden Strategiewechsel an

ast/det/ck Frankfurt/Washington – Die US-Notenbank Federal Reserve hat ein neues geldpolitisches Rahmenwerk beschlossen, das die US-Wirtschaft aus der tiefsten Rezession seit der Weltwirtschaftskrise führen soll. Wie Fed-Chef Jerome Powell in einer Rede erläuterte, will die Notenbank länger an den Niedrigzinsen festhalten. Das Inflationsziel von 2 % wird gelockert. Demnach sollen sowohl Ausschläge nach oben als auch nach unten im Rahmen sein. Lediglich der Durchschnittswert soll künftig bei 2 % liegen. Das hat zur Folge, dass die Teuerungsrate zeitweise die Schwelle sowohl unter- als auch überschreiten kann, ohne dass die Währungshüter mit zinspolitischen Maßnahmen eingreifen.Der Notenbankchef räumte ein, dass Beobachter es “kontraintuitiv finden werden, dass die Fed die Inflationsrate nach oben drücken will”. Gleichwohl betonte er, dass “Inflation, die dauerhaft zu niedrig ist, ernsthafte Risiken für die Wirtschaft heraufbeschwören kann”. Eine dauerhaft niedrige Teuerungsrate würde die Inflationserwartungen drücken. Dies hätte zur Folge, dass auch die tatsächliche Teuerungsrate niedriger ist, und das würde auch auf die Zinsen durchschlagen.Die Notwendigkeit, den Nullzins für längere Zeit zu zementieren – in erst fünf Jahren soll das neue Rahmenwerk ein weiteres Mal unter die Lupe genommen werden – begründete Powell mit dem deutlich niedrigeren neutralen Zinssatz.Eine bedeutende Wende in der Strategie der Notenbank stellt zudem der Fokus auf den Arbeitsmarkt dar. Powell betonte, dass der durch die Coronakrise und die damit verbundenen Lockdown-Maßnahmen stark gebeutelte Arbeitsmarkt oberste Priorität für die US-Notenbank habe. Der Auffassung der Währungshüter zufolge müsse ein robuster Arbeitsmarkt nicht zwangsläufig zu einer höheren Inflation führen.Analysten begrüßten den Strategiewechsel der Notenbank. Angesichts einer Arbeitslosenquote von derzeit deutlich über 10 % und über einer Million Erstanträge für das Arbeitslosengeld pro Woche sei die Lockerung des Inflationsziels gerechtfertigt. Ursprünglich sollte die neue Strategie erst nach der nächsten Sitzung des Offenmarktausschusses bekannt gegeben werden.Die Finanzmärkte reagierten mit vorübergehenden, aber heftigen Kursschwankungen. So kletterte der Euro bis auf 1,19 Dollar, um anschließend bis auf 1,1763 Dollar zurückzufallen. Zuletzt lag die Währung kaum verändert bei 1,1827 Dollar. Die zehnjährige Bundrendite fiel bis auf -0,47 % und lag am Abend eine Stelle über Vortagsniveau bei -0,40 %. – Nebenstehender Kommentar Bericht Seite 7