Konjunktur

US-Wirtschaft mit kräftigem Start ins zweite Halbjahr

Der US-Konjunkturkessel steht unter Dampf. In diesem Jahr rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) mit dem stärksten Wachstum seit 1984. Auch sorgt das kräftige Stellenwachstum im Juni für eine angenehme Überraschung.

US-Wirtschaft mit kräftigem Start ins zweite Halbjahr

det Washington

Gestützt von einem robusten Arbeitsmarkt hat der Konjunkturaufschwung in den USA an Dynamik gewonnen, und er dürfte sich in der zweiten Jahreshälfte weiter beschleunigen. So rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) in diesem Jahr mit einer Wachstumsrate von 7,0% – was der höchste Wert seit 1984 wäre. Das geht aus den neuen bilateralen IWF-Artikel-4-Konsultationen mit der US-Regierung hervor. Noch optimistischer ist das Congressional Budget Office (CBO), das eine Zunahme um 7,4% voraussagt.

Zuversichtlich stimmt Experten zudem der jüngste Arbeitsmarktbericht. So wurden in den USA im Juni ohne Berücksichtigung der Landwirtschaft 850000 neue Stellen geschaffen, wie das Arbeitsministerium berichtete. Erwartet hatten Ökonomen ein Plus von knapp mehr als 700000. Die Arbeitslosenquote stieg von 5,8% auf 5,9%.

Mit Lob sparte der IWF in seinem Bericht nicht und bescheinigte US-Politikern sowie der Notenbank, die Wirtschaft souverän aus der tiefsten Krise seit der Weltrezession geführt zu haben. Gestützt worden sei der Aufschwung sowohl von staatlichen Ausgabenprogrammen als auch von der ultralockeren Geldpolitik der Fed – und von den beschleunigten Impfaktionen gegen das Coronavirus.

Einschränkend stellte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa allerdings fest, dass die optimistischen Prognosen für die USA auf der Annahme beruhten, dass beide billionenschwere Stimuluspakete, die derzeit im Kongress debattiert werden, in der zweiten Jahreshälfte tatsächlich verabschiedet werden. Im politisch tief gespaltenen Washington ist das aber alles andere als sicher.

Vorübergehende Inflation

Gleichzeitig warnte Georgiewa vor den mit dem Aufschwung verbundenen Inflationsrisiken – die allerdings nur temporär seien. Das bevorzugte Inflationsmaß der Fed, der PCE-Preisindex, werde 2021 an der Kernrate gemessen 3,7% erreichen und sich kommendes Jahr um 2,4% einpendeln, glaubt der IWF (siehe Grafik). Eine konjunkturelle Überhitzung sei nicht zu befürchten. Die Tatsache, dass die Fed für einige Zeit ein moderates Überschreiten der Zielgröße von 2% zulassen wolle, erhöhe insbesondere die Wirksamkeit fiskalpolitischer Stimulusmaßnahmen, sagte die IWF-Direktorin. Die größten Risiken für die US-Wirtschaft sieht der IWF in neuen Varianten des Coronavirus und dem Zögern oder der Weigerung vieler US-Bürger, sich impfen zu lassen.

Auf ein anderes Risiko, nämlich die wachsenden Staatsschulden, weist das CBO hin. Wie aus dessen neuestem Bericht hervorgeht, wird die Neuverschuldung dieses Jahr 3,0 Bill. Dollar erreichen. Die Defizitquote wird demnach bei 13,4% liegen. Dies wäre abgesehen vom Krisenjahr 2020, als der Anteil der Neuverschuldung am Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf 14,9% kletterte, der höchste Wert seit 1945. Die Schuldenquote wird dieses Jahr laut CBO bei fast 103% liegen – was die Schräglage bei den Staatsfinanzen aber tendenziell verharmlost.

Wachsender Schuldenberg

Denn werden auch Zahlungsverpflichtungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und andere Verbindlichkeiten, etwa des Einlagensicherungsfonds FDIC, berücksichtigt, dann liegt der Anteil der Schulden am BIP bereits bei knapp 130%. Das CBO hat wiederholt davor gewarnt, dass der wachsende Schuldenberg ohne überzeugende Maßnahmen zum Defizitabbau zu steigenden Zinsen sowie höherer Inflation führen und das Wachstum abwürgen würde.

Ungeachtet der diversen Risiken sehen Experten dem weiteren Konjunkturverlauf überwiegend zuversichtlich entgegen. Dazu trägt maßgeblich der Arbeitsmarkt bei, der sich zuletzt am Stellenwachstum gemessen durch einige Volatilität ausgezeichnet hatte. „Unterm Strich handelt es sich um einen sehr soliden Arbeitsmarktbericht“, sagte Kate Bahn, Ökonomin beim Forschungsinstitut Washington Center for Equitable Growth, am Freitag. Ermutigend sei vor allem die Tatsache, dass neue Stellen vor allem in jenen Branchen entstanden, die von der Corona-Pandemie am stärksten betroffen waren. So wurden im Gastgewerbe 343000 neue Mitarbeiter eingestellt. Das Gastgewerbe und der Bildungssektor allein machten mehr als 600000 der insgesamt 850000 neuen Jobs aus.