Verhaltene Freude über Chinas Preistrend
Von Norbert Hellmann, SchanghaiChinas Verbraucherpreisindex ist im April den dritten Monat in Folge mit einem Anstieg gegenüber dem Vormonat von 2,3 % eingelaufen. Der stabile Preistrend ist durchaus nach dem Geschmack der Zentralbank, die sich noch zu Jahresbeginn mit latenten Deflationssorgen herumschlagen musste. Als Wermutstropfen gilt allerdings die dem Inflationstrend zugrundeliegende Entwicklung der Lebensmittelpreise beziehungsweise der für sozial schwächere Schichten belastende Auftrieb bei Grundnahrungsmitteln. Hier landet man bei einem immer noch heftigen Anstieg von 7,4 % im April. Schweinefleisch als AufregerInsbesondere Schweinefleisch, das mit einem relativ hohen Anteil in den zur Inflationsberechnung herangezogenen Warenkorb eingeht, verbuchte in den letzten Monaten einen Preisanstieg von rund 30 % gegenüber Vorjahr. Der ungemütliche Trend hat die Regierung kürzlich dazu bewogen, auf die in China als wohl weltweit einzigem Land vorhandene “strategische nationale Reserve” bei Schweinefleisch zurückzugreifen und entsprechend gefrorene Lagerbestände kontrolliert in den Markt zu geben. Dies soll in Verbindung mit einem nach zuletzt guter Ernte etwas reduzierten Preisauftrieb bei Getreide und Gemüse die als sozial unverträglich geltende Dimension der chinesischen Teuerungsentwicklung unter Kontrolle zu bringen helfen.Die Kerninflationsrate, beziehungsweise die Teuerung der Konsumgüter abseits von Lebensmitteln, belief sich zuletzt kaum verändert auf 1,1 %, ein für China eher untypisch niedriges Niveau. Analysten zögern, auch die neuesten Inflationsdaten als Beleg für eine tendenzielle Erstarkung der Binnenkonjunktur zu werten. Rückenwind für die IndustrieVorsichtig einschätzen muss man auch die grundsätzlich erfreuliche Abschwächung der nunmehr seit über vier Jahren anhaltenden Deflation der Erzeugerpreise. Hier hat der entsprechende Index mit einem Minus von 3,4 % gegenüber Vorjahresmonat nach – 4,3 % im März weniger deutlich nach unten ausgeschlagen, zu Jahresbeginn hatte der Rückgang der Produzentenpreise alarmierende Werte nahe – 6 % erreicht. Eine entsprechende Erholungsbewegung stärkt die chinesischen Produzenten im verarbeitenden Gewerbe und deckt sich auch mit einer im März beobachteten Kräftigung des Wachstums der Industrieproduktion im Reich der Mitte. Allerdings ist es eher fraglich, dass der Trend auf eine Linderung der den Industriesektor stark belastenden Überkapazitätsproblematik beziehungsweise eine verbesserte Wettbewerbsposition der zahlreichen schwerindustriellen Staatsunternehmen zurückgeführt werden kann. Vielmehr sieht es danach aus, dass der jüngste Auftrieb bei zahlreichen Rohstoffkategorien, allen voran Metallen und Erdöl, entsprechenden Niederschlag im Erzeugerpreisindex gefunden hat. Anleger eher missmutigAm chinesischen Aktienmarkt kam es denn auch zu verhaltenen Reaktionen auf die jüngsten Inflationsdaten. Nach deutlichen Kursverlusten an den vorangegangenen Handelstagen tendierten die Börsen in Schanghai und Shenzhen am Dienstag zunächst uneinheitlich und schlossen dann praktisch unverändert. Bei den Marktteilnehmern hat sich zuletzt Missmut breitgemacht, nachdem die Zentralbank signalisierte, dass sie nun auf geldpolitisches “Finetuning” setzt, um “in vorausschauender Weise” auf die konjunkturellen Herausforderungen beziehungsweise den weiter auf der Wirtschaft lastenden Druck zu reagieren.Solche Anmerkungen verstehen die Anleger freilich als ein Signal der Währungshüter, dass man auf absehbare Zeit nicht mit expliziten Stimulierungsgesten in Form einer Leitzinssenkung oder weiteren Rücknahme der Mindestreservesätze für Geschäftsbanken rechnen kann.In der vergangenen Woche hatte die Zentralbank als einen Aspekt des Finetunings für eine dauerhafte Ausweitung spezieller Kreditfazilitäten für Chinas staatliche Förderbanken gesorgt. Sie sollen vor allem zur Refinanzierung von Wohnungsbauprojekten und anderen städtischen Infrastrukturvorhaben eingesetzt werden (vgl. BZ vom 7. Mai). Warten auf neue ZinsgesteExperten halten es zwar für denkbar, dass die People’s Bank of China noch mindestens einmal im laufenden Jahr die Leitzinsen für Kredite und Einlagen vom gegenwärtigen Niveau bei 4,35 % beziehungsweise 1,5 % herunterschleusen wird, doch würde dies wohl voraussetzen, dass sich die konjunkturellen Daten in den nächsten Monaten deutlich verschlechtern. Am kommenden Samstag werden die neuen Werte für die Entwicklung der chinesischen Industrieproduktion, der Anlageinvestitionen sowie der Einzelhandelspreise im Monat April erwartet.