GASTBEITRAG

Viele Herausforderungen für Serbiens Wirtschaftspolitik

Börsen-Zeitung, 17.11.2018 Am 10. Dezember sollen im Rahmen einer geplanten Beitrittskonferenz in Brüssel drei neue Kapitel in den Beitrittsverhandlungen der EU mit Serbien geöffnet werden. Von wirtschaftlicher Seite gesehen hat Serbien seine...

Viele Herausforderungen für Serbiens Wirtschaftspolitik

Am 10. Dezember sollen im Rahmen einer geplanten Beitrittskonferenz in Brüssel drei neue Kapitel in den Beitrittsverhandlungen der EU mit Serbien geöffnet werden. Von wirtschaftlicher Seite gesehen hat Serbien seine Hausaufgaben gemacht. Durch strukturelle Reformen und die umfassende Koordination von Geld- und Fiskalpolitik konnte die gesamtwirtschaftliche Stabilität gewährleistet werden. Dies zeigt sich in der niedrigen Inflation, der Beschleunigung des Wirtschaftswachstums und der sinkenden Risikoprämie des Landes. Es sollte jedoch nicht als selbstverständlich angesehen werden, dass sich diese positive wirtschaftliche Entwicklung langfristig fortsetzen wird. So warnt der ehemalige Finanzminister Dusan Vujovic: “Wir müssen der Versuchung widerstehen, uns durch die Sirenengesänge der Populisten vom Reformkurs abbringen zu lassen.” Konjunktur nimmt Fahrt aufIn der ersten Jahreshälfte 2018 nahm die Konjunktur Fahrt auf. So wuchs das BIP im ersten und zweiten Quartal um jeweils 4,9 % bzw. 4,8 %. Die privaten Konsumausgaben stiegen so schnell wie seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr. Die Binnennachfrage wurde durch die nach wie vor zweistellig steigenden Bruttoanlageinvestitionen weiter gestützt. Der serbische Vertreter des IWF gab bekannt, dass der Währungsfonds die Wachstumsprognose für dieses Jahr von 3,5 % auf 4,2 % nach oben korrigieren werde.Auch die Beschäftigtenzahlen entwickeln sich trotz des Personalabbaus im öffentlichen Dienst weiterhin positiv. Dies ist auf erhebliche Beschäftigungszuwächse in der IT-Branche und dem verarbeitenden Gewerbe zurückzuführen. Während eines Staatsbesuchs von Präsident Aleksandar Vucicáç in Peking wurden neue Verträge mit chinesischen Unternehmen im Wert von voraussichtlich 3 Mrd. Dollar angekündigt.Auch in diesem Jahr ist mit einem soliden Haushaltsüberschuss zu rechnen. Die Staatsverschuldung konnte in nur drei Jahren um 8 % gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) gesenkt werden. Die Laufzeit- und Währungsstruktur der Staatsschulden hat sich verbessert. Zudem sind die Anleihezinsen schneller als allgemein erwartet gesunken.Die Staatsverschuldung gemessen am BIP entwickelt sich günstig und wird voraussichtlich dieses Jahr auf unter 60 % sinken. Zudem konnten erhebliche Fortschritte im Hinblick auf die Umstrukturierung von privat geführten Unternehmen und die Privatisierung von Staatsunternehmen erzielt werden. Aufgrund des Wirtschaftswachstums, der sinkenden Staatsverschuldung und der Tilgung der Schulden des staatlichen Erdgasunternehmens Srbijagas ist es zunehmend wahrscheinlich, dass der Haushalt 2019 ausreichend fiskalpolitischen Spielraum bieten wird. Aus Fehlern lernenDie Regierung wird hoffentlich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen, als die günstigen haushaltspolitischen Entwicklungen zur Finanzierung von rein populistischen Maßnahmen herangezogen wurden. Es gibt drängende Herausforderungen, die eine deutliche Steigerung der öffentlichen Ausgaben erfordern. Laut Analysen des unabhängigen Finanzrats erfordert die Errichtung neuer Klär- und Trinkwasseranlagen und der Ausbau des Kanalisationsnetzes eine Steigerung der Haushaltsausgaben für den Umweltschutz von rund 1,2 % bis 1,4 % des BIP.Die Inflation beträgt weiterhin weniger als 3 % und liegt somit unterhalb des Mittelwerts des Zielkorridors. Auch die Inflationserwartungen sind stabil. Daher beließ die Zentralbank den Leitzins seit der letzten Senkung im April bei 3,0 %. Die Kerninflation war im September weiterhin stabil auf einem niedrigen Stand und lag genau wie im Vormonat bei 1,1 %. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass Serbien erst seit kurzem eine niedrige Inflation mit geringer Volatilität aufweist.In der jüngeren Vergangenheit lag die Inflationsrate lange im zweistelligen Bereich. Die serbische Zentralbank wies wiederholt auf die tiefsitzende Angst der Bevölkerung vor einer Hyperinflation hin. Diese Angst ist auf die Vergangenheit des Landes zurückzuführen. Da der Euro die serbische Wirtschaft stark durchdringt, musste die Nationalbank Serbiens (NBS) zuerst einen stabilen Wechselkurs schaffen. Dies führte unmittelbar zu einer erheblich niedrigeren Inflation mit geringerer Volatilität. Zur erfolgreichen Inflationsbekämpfung war es zudem erforderlich, die Geld- und Fiskalpolitik miteinander zu koordinieren. Breiterer Einsatz des DinarDie Gouverneurin der NBS, Jorgovanka Tabakovic, teilte mit, dass die Zentralbank nach der Bekämpfung der Inflation die “Dinarisierung”, das heißt den zunehmenden Einsatz des Dinar in der serbischen Wirtschaft, weiter vorantreiben wird. Laut der NBS würde ein breiterer Einsatz des Dinar im Finanzsystem und eine höhere Währungskongruenz bei den Einnahmen und Ausgaben im Nichtbankensektor die Finanzstabilität des Landes verbessern, die Wechselkursrisiken der anfälligsten Wirtschaftszweige minimieren und die Wirksamkeit der Geldpolitik erhöhen.Der Anteil der auf Dinar lautenden Spareinlagen steigt, ist aber immer noch gering. Stabile Wechselkurse sind für den zunehmenden Einsatz des Dinar notwendig, jedoch nicht ausreichend. Die NBS ist überzeugt, dass es von essenzieller Bedeutung ist, die Öffentlichkeit über die Vorzüge von Einlagen in Dinar aufzuklären. Dazu zählen beispielsweise höhere Zinsen und Steuervergünstigungen. Es ist ebenso von zentraler Bedeutung, die Liquidität am Sekundärmarkt zu erhöhen und es Marktakteuren und Investoren zu ermöglichen, sich gegen Wechselkursrisiken abzusichern. NPL-Volumen gesenktSeit der Finanzkrise wurde das Volumen notleidender Kredite (NPLs) drastisch gesenkt. Daher ist der Finanzsektor in guter Verfassung. Das Verhältnis der NPLs zum Gesamtkreditvolumen beträgt derzeit 6,7 %. Seit Einführung der Initiative “NPL Resolution Strategy” im August 2015 ist dies ein Rückgang um 60 %. In Serbien sind 28 Banken tätig, von denen sich alle in ausländischem Besitz befinden. Die fünf größten Banken haben einen Marktanteil von insgesamt 55 %. Die Kapitaladäquanz-Ziffer beträgt derzeit 22,9 %. Somit liegt sie weit über dem vorgeschriebenen Wert von 8 %. Die Liquiditätsreserve ist knapp doppelt so hoch wie aufsichtsrechtlich vorgeschrieben. Auch die Rentabilität des Sektors hat sich letztes Jahr drastisch gesteigert. So konnten 25 der 28 Banken Gewinne verzeichnen. Neuer FinanzministerDer neue Finanzminister Sinisa Mali, der frühere Bürgermeister von Belgrad, tritt das große Erbe seines Vorgängers Dusan Vujovicáç an, der beeindruckende Erfolge erzielen konnte. In einem kürzlich veröffentlichten Interview machte Mali deutlich, dass er die Staatsschulden weiter senken wolle: “(. . .) es ist von zentraler Bedeutung, dass die Staatsschulden auf unter 50 % gemessen am BIP sinken.” Überraschend war hingegen die Entscheidung des neuen Finanzministers, Mitarbeiter der PDA – der öffentlichen Schuldenverwaltung Serbiens – mit langjähriger Erfahrung zu entlassen und durch neues Personal zu ersetzen. Die Mitarbeiter hatten durch ihre langjährige pragmatische und transparente Schuldenpolitik das Vertrauen der Investoren gewinnen können.—-Michail Diamantopoulos, EMD Portfolio Manager Investec Asset Management