DIE FOLGEN EINES BREXIT FÜR EUROPA

Wachstumsdämpfer für die EU-Länder

Die direkten Folgen eines Brexit sind gering im Vergleich zu den mittelbaren polit-ökonomischen Wirkungen

Wachstumsdämpfer für die EU-Länder

Von Stephan Lorz, FrankfurtDass ein Brexit auch auf dem europäischen “Rest-Kontinent” für einige ökonomische Verwerfungen sorgen und die Konjunktur weiter eintrüben würde, zeigt schon ein Blick auf die Größenverhältnisse: Großbritannien ist gemessen an der Bevölkerungszahl der drittgrößte Mitgliedstaat der EU, bezogen auf die Wirtschaftsleistung sogar der zweitgrößte. Etwa zwei Millionen Arbeitsplätze hängen in der EU vom Handel mit Großbritannien ab. Die Vernetzung der europäischen Wirtschaft ist zudem durch den Europäischen Binnenmarkt ausgesprochen dicht. Hinzu kommen die langfristigen Wirkungen eines Brexit, weil dann auch in anderen Ländern Europas der Wert einer immer engeren Europäischen Union hinterfragt würden. Man fürchtet eine Lockerung der Bindungen. Die ökonomische Integrations- und Vernetzungsrendite ginge verloren.Die Versicherungsagentur Euler Hermes kommt zu dem Schluss, dass die deutschen Exporteure im Falle eines “harten Ausstiegs” Großbritanniens aus der EU zwischen 2017 und 2019 bis zu 7 Mrd. Euro einbüßen würden. Selbst mit Freihandelsabkommen lägen die Einbußen noch bei 5 Mrd. Euro. Großbritannien ist für Deutschland der drittwichtigste Exportmarkt weltweit. Ifo-Präsident Clemens Fuest rechnet mit einem “langfristigen Wachstumsverlust von 3 %”. Neben höheren Kosten im Handel drohten ein sinkender Wettbewerb, weniger Innovationen und geringere grenzüberschreitende Investitionen.Die Ratingagentur S & P hat die nach einem Brexit in der EU verbliebenen Länder einmal nach ihrem Grad der Verflechtung mit Großbritannien analysiert. Gemessen an der Wirtschaftsleistung würden Irland, Malta, Luxemburg und Zypern die stärksten Einbußen erleiden. Alle vier Länder sind stark am britischen Finanzmarkt engagiert, Irland ist auch im Hinblick auf den Handel und bezüglich der wechselseitig beschäftigten Bürger eng mit Großbritannien verflochten.Die Volkswirte von ING DiBa haben die ökonomischen Folgen eines Brexit für die EU einmal zu beziffern versucht und kommen auf einen direkten Wachstumsdämpfer von nur 0,3 Prozentpunkten bis Ende 2017. Entscheidend sei aber, wie sich die Finanzmärkte unmittelbar nach der Entscheidung entwickelten. Schlimmer sei aber auf jeden Fall die auch in der EU und im Euroraum dann drohende Fragmentierung. Das Ifo-Institut geht davon aus, dass sich die Brexit-Folgen für die Eurozone langfristig verteilen werden. 2030 läge das Realwachstum zwischen 0,1 und 0,4 % niedriger als ohne Brexit.