ITALIEN HAT GEWÄHLT

Wahlergebnis schürt Sorgen

Politiker aus der EU setzen auf rasche Regierungsbildung und ein Festhalten am Reformkurs

Wahlergebnis schürt Sorgen

Mit dem Patt bei den Wahlen in Italien wächst in Europa die Sorge über den künftigen politischen Kurs des Landes und ein Wiederaufflackern der Staatsschuldenkrise. EU-Politiker setzen auf eine rasche Regierungsbildung und die Fortsetzung des Sparkurses.ba/lz/wf Frankfurt/Berlin – Dem Euro-Krisenland Italien droht die Regierungsunfähigkeit. Bei der Wahl erzielte keine der Parteien eine regierungsfähige Mehrheit. Das Mitte-links-Bündnis von Pierluigi Bersani errang zwar eine knappe Mehrheit im Abgeordnetenhaus, doch nicht im Senat. Als Lösung bietet sich nun eine große Koalition aus Bersanis Mitte-links-Bündnis und dem Mitte-rechts-Bündnis des Ex-Premiers Silvio Berlusconi an – oder Neuwahlen. Berlusconi schloss eine Koalition mit dem Zentrumsbündnis von Mario Monti aus, zeigte sich gestern aber offen für Absprachen mit Bersani. Dieser hingegen ließ die Frage noch offen, mit wem er über eine Regierungsbildung sprechen will. Bersani kündigte gestern einige wenige grundlegende Reformvorschläge für das politische System, den Arbeitsmarkt und die Opfer der Krise an.Politiker riefen zu einer schnellen Regierungsbildung und der Fortsetzung der Sparmaßnahmen auf. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sagte: “Wer auch an die Regierung kommt, Italien muss sich an die europäischen Absprachen halten.” Zum eingeschlagenen Weg der finanziellen Konsolidierung, dessen Fortsetzung auch EU-Währungskommissar Olli Rehn anmahnte, gebe es keine Alternative, sagte EU-Ratspräsident Herman van Rompuy.Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte Italien auf, zügig klar Verhältnisse zu schaffen. “Es liegt nicht nur im Interesse Italiens, sondern auch ganz Europas, dass möglichst rasch eine stabile und handlungsfähige Regierung in Italien gebildet wird”, erklärte das Auswärtige Amt in Berlin. Die politischen Verantwortungsträger in Rom wüssten, dass das Land weiterhin eine solide Politik der Reformen und Konsolidierung brauche, die das Vertrauen der Bürger und der Märkte festige. Italien spiele eine zentrale Rolle, um die europäischen Schuldenkrise zu bewältigen. Auch FDP-Parteichef, Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), machte deutlich, dass es aus seiner Sicht zum bisher eingeschlagenen Kurs struktureller Reformen keine Alternative gebe. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich nicht öffentlich. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge appellierte sie in der Fraktionssitzung von CDU/CSU im Bundestag an das Verantwortungsbewusstsein der Politiker in Rom. Diese hätten die Verantwortung, die richtigen Entscheidungen zu treffen und das Beste aus dem knappen Ergebnis für Italien und Europa zu machen, sagte Merkel. Man dürfe sich nicht auf die Unterscheidung zwischen Sparen und Wachstum einlassen. Dies seien keine Gegensätze.Merkel reagierte damit Reuters zufolge auch auf die französische Regierung. Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici hatte das Wahlergebnis als Aufruf zu einer stärker auf Wachstum ausgerichteten Politik in Europa interpretiert. Europa müsse den Menschen eine andere Perspektive als reines Sparen bieten. Merkel betonte dagegen, Wachstum und Konsolidierung gehörten zusammen.Nach Ansicht der Ökonomen ist mit dem Patt “die Euro-Krise zurückgekehrt”, wie Analysten der Royal Bank of Scotland (RBS) die Stimmung auf den Punkt gebracht haben. Zwar halten die meisten Beobachter wie etwa Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer eine “Eskalation der Schuldenkrise” eher für unwahrscheinlich, aber mit Reformen werde jetzt auf absehbare Zeit Schluss sein, heißt es. Dieser Ansicht ist auch der Chefvolkswirt der Allianz, Michael Heise. Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa-afx sagte er: “Nein, ein Aufflammen der Schuldenkrise in der Breite werden wir jetzt nicht sehen. Es ist eher unwahrscheinlich, dass von der Lage in Italien große Ansteckungseffekte für andere Länder der Eurozone ausgehen. Aber für Italien selbst wird die Lage schon schwieriger werden.” Aber auch er geht davon aus, dass es eine “Verlangsamung der Reformbemühungen” geben werde. Es werde aber zu keinem Stillstand kommen, denn die Finanzmärkte würden das Land weiter zu Reformen zwingen.Ökonomen warnen gleichwohl vor einer anhaltenden Verunsicherung. Die Zinsen würden steigen, Investoren zunächst einmal abwarten. Der Wirtschaftsweise Lars Feld spricht von einem Rückschlag für die Stabilisierung der Eurozone und geht sogar davon aus, das Investoren “ihr Kapital aus Italien abziehen” werden. Die italienische Wirtschaft werde nicht aus der Rezession herausfinden. “Damit ist die Tragfähigkeit der italienischen Staatsfinanzen erneut in Frage gestellt. Die Euro-Krise wird daher in Kürze mit aller Macht zurückgekehrt sein.”