Wahlschlappe in Istanbul trifft Erdogan hart

Oppositionskandidat Imamoglu siegt

Wahlschlappe in Istanbul trifft Erdogan hart

arp Frankfurt – Der deutliche Wahlerfolg von Oppositionskandidat Ekrem Imamoglu bei der wiederholten Bürgermeisterwahl in Istanbul ist eine herbe Schlappe für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und befeuert Diskussionen über dessen politische Zukunft. Noch deutlicher als Ende März siegte der Kandidat der oppositionellen CHP, Imamoglu, vor dem Kandidaten von Erdogans Regierungspartei AKP und ehemaligen türkischen Ministerpräsidenten, Binali Yildirim. Laut dem am Montag von der türkischen Wahlkommission verkündeten Ergebnis entfielen auf Imamoglu 54,21 % der Stimmen. Yildirim konnte lediglich 44,99 % auf sich vereinigen. Lob der BundesregierungDer Grünen-Politiker Cem Özdemir sieht ein Ende der Ära Erdogan. “Wir sind in der Nachspielzeit”, sagte er gestern im “Deutschlandfunk”. Özdemir sieht auch die Demokratie-Bewegung in dem eurasischen Land gestärkt. Der deutsche Europastaatsminister Michael Roth beglückwünschte Imamoglu via Twitter und schrieb: “Was für ein Mut machendes Signal für eine demokratisch lebendige Türkei!”Ansonsten gab sich die Bundesregierung aber zurückhaltender: “Wir begrüßen, dass das Ergebnis nicht angezweifelt wird, sondern allgemein anerkannt wird. Wir begrüßen auch die hohe Wahlbeteiligung, den insgesamt friedlichen Verlauf. Das alles sind gute Zeichen für die Türkei”, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Ähnlich äußerte sich auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der den Ausgang der Abstimmung als demokratischen Vorgang wertete.Die Analysten der DZ Bank warnten derweil vor zu viel Optimismus nach dem Urnengang in Istanbul. Zwar sei die Niederlage von Yildirim für Erdogan ein Problem, allerdings halte das Staatsoberhaupt die Zügel des Landes weiter fest in der Hand. Bei der Bürgermeisterwahl in Istanbul haben sich mehrere Parteien zu einem inoffiziellen Bündnis zusammengetan und auf eigene Kandidaten verzichtet. Darunter auch die Partei der Kurden.An den Märkten wurde der Ausgang der Istanbuler Bürgermeisterwahl mit Erleichterung aufgenommen. Die türkische Lira erholte sich zunächst zum Dollar und Euro. Auch die Istanbuler Börse eröffnete am Montag mit Kursgewinnen.Erdogans Angriffe auf die Unabhängigkeit der türkischen Notenbank oder Auseinandersetzungen mit den Vereinigten Staaten wegen der Inhaftierung eines US-Pastors haben die Wirtschaft des Landes in eine heftige Krise geführt. Die Landeswährung Lira wertete massiv ab, und die Inflation liegt immer noch bei knapp 20 %.Obwohl der Urnengang in den Sommerferien lag, kehrten Zehntausende Istanbuler aus dem Urlaub in die Stadt zurück, um ihre Stimme abzugeben. Die Wahlbeteiligung lag, ähnlich wie bei der ersten Wahl am 31. März, bei 84,5 %. Diese wurde auf Antrag der AKP aufgrund angeblicher Unregelmäßigkeiten annulliert. – Wertberichtigt Seite 6