Wahlsieg stärkt Japans konservative Regierung
mf Tokio
Die Regierungskoalition in Japan hat die Oberhauswahl vom Sonntag klar gewonnen. Die Liberaldemokratische Partei (LDP) und ihr Partner Komeito errangen 60 % der 125 zur Wahl stehenden Sitze der Parlamentskammer. Mit dem frischen Mandat sitzt Premierminister Fumio Kishida fest im Sattel und erhält freie Hand bis zur nächsten Wahl im Herbst 2025. Die Börse in Tokio begrüßte die Aussicht auf Stabilität: Der marktbreite Topix legte um 1,4 % zu.
Wegen der Ermordung des Ex-Regierungschefs Shinzo Abe zwei Tage vor der Wahl verzichtete Kishida jedoch auf jeglichen Siegesjubel. Abe war am Freitag im Wahlkampf in Nara von einem Einzeltäter mit einer Schusswaffe getötet worden. Stattdessen beschwor Kishida das nationalistische Erbe des Toten, der posthum den höchsten Staatsorden erhalten wird. „Wir müssen weiterauf seinen vielen Errungenschaften aufbauen und der nächsten Generation ein strahlendes und energiegeladenes Japan übergeben, das er geliebt hat und das auch wir lieben“, sagte der Regierungschef.
Für sein klares Bekenntnis hat Kishida gute Gründe. Abe führte die größte Faktion der LDP-Abgeordneten und zog seit seinem Rücktritt vor zwei Jahren weiter die Strippen in der Dauerregierungspartei. Ein Nachfolger seines Kalibers ist nicht in Sicht, so dass der LDP ein inneres Machtvakuum droht. Mögliche Führungskämpfe könnten auch dem jetzigen Premier gefährlich werden, der dank Abe zum LDP- und damit zum Regierungschef aufgestiegen war. Zugleich muss der eher moderate Konservative Kishida darauf achten, dass die Rechten, die bisher von Abe gelenkt wurden, ihn weiter unterstützen.
Der 64-Jährige löste dieses Dilemma, indem er die von ihm zuvor mehrmals kritisierte Wirtschaftspolitik der Abenomics nicht erwähnte, sondern sich hinter Abes nationalistische Agenda stellte. Er wolle die Verteidigung des Landes „drastisch stärken“, sagte Kishida. Abe wollte eine schnelle Verdopplung der jährlichen Ausgaben auf 2 % der Wirtschaftsleistung. Zugleich kündigte Kishida eine Reform der pazifistischen Nachkriegsverfassung an. Das lange schwelende Vorhaben hatte wieder an Fahrt aufgenommen, als Russlands Angriff auf die Ukraine eine Debatte über Japans Sicherheitspolitik auslöste. Nach der Wahl verfügen die Befürworter über die für Änderungen notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament.
Der ermordete Abe träumte sein Leben lang von der ersten Revision der Verfassung, die er als von den damaligen US-Besatzungstruppen oktroyiert ablehnte. Dabei geht es vor allem um Artikel 9, der den Handlungsspielraum der sogenannten Selbstverteidigungsstreitkräfte stark einschränkt. Erst eine Reform würde es Japan ermöglichen, die USA militärisch aktiv zu unterstützen, etwa bei der Verteidigung von Taiwan gegen einen Angriff aus China.
Das Engagement von Kishida erhöht die Erfolgsaussichten für die Reform. Als moderater Konservativer polarisiert er die Öffentlichkeit weniger als Abe. „Die Rechten werden Kishida unterstützen und die Linken tolerieren, weil er sorgfältig mit dem Thema umgehen wird“, meinte der Historiker Hitoshi Komiya von der Aoyama Gakuin Universität. Genauso gut könnte der Tod von Abe jedoch dazu führen, dass die Reformanstrengungen bald wieder versanden. „Die symbolische Figur für die Änderungsbefürworter ist nicht mehr da“, erklärte der Politologe Masahiro Iwasaki von der Nihon University.
Denn die Hürden sind hoch: Die Befürworter müssen sich erst auf die Details der Änderungen einigen. Ein anschließendes nationales Referendum erfordert eine absolute Mehrheit. Doch die Öffentlichkeit bleibt trotz Ukraine-Krieg tief gespalten. Daher könnte Kishida versucht sein, sein politisches Kapital anderweitig einzusetzen. „Der Premier wird Diskussionen abhalten, aber das Ziel weniger enthusiastisch verfolgen als Abe“, glaubt Iwasaki.