Weidmann dreht Draghi-Argument herum

Inflation drückt Realzinsen - Keine Lockerung nötig

Weidmann dreht Draghi-Argument herum

ms Frankfurt – In der Diskussion über eine neuerliche Lockerung der EZB-Geldpolitik hat Bundesbankpräsident Jens Weidmann hervorgehoben, dass es aktuell automatisch zu einer solchen Lockerung komme – selbst wenn die Europäische Zentralbank (EZB) stillhalte. “Der Anstieg der Inflationsraten führt automatisch zu niedrigeren realen Kurzfristzinsen und damit zu einer weiteren Lockerung des geldpolitischen Kurses”, sagte Weidmann gestern laut Redetext in Amsterdam.Weidmann dreht damit ein Argument herum, mit dem EZB-Präsident Mario Draghi und andere Befürworter immer neuer Maßnahmen im EZB-Rat in den vergangenen Jahren stets argumentiert hatten. Sie verwiesen darauf, dass die zu der Zeit sinkenden Inflationsraten und Inflationserwartungen die Realzinsen steigen ließen – weswegen es nötig gewesen sei, die nominalen Zinsen zu drücken, um auf diese Weise eine “ungerechtfertigte Straffung” der Finanzbedingungen zu verhindern.Zusammen mit seinen neuerlichen Warnungen vor den steigenden Risiken einer anhaltend ultralockeren Geldpolitik deuten Weidmanns Aussagen darauf hin, dass er bislang nicht überzeugt ist, dass die EZB etwa ihr umstrittenes Anleihekaufprogramm (Quantitative Easing, QE) über das bisherige Enddatum März 2017 hinaus verlängern muss oder dass er für den Fall zumindest für ein allmähliches Zurückfahren (Tapering) plädiert. Draghi hat für den 8. Dezember eine Richtungsentscheidung avisiert. Er hat die Erwartung einer erneuten QE-Verlängerung geschürt. Die große Frage ist aber, ob es bei monatlich 80 Mrd. Euro bleibt oder es eine Form des Tapering gibt.Weidmann sagte gestern, dass die wirtschaftliche Situation aktuell eine expansive Geldpolitik rechtfertige. Genauso richtig sei es aber gewesen, dass der EZB-Rat seine Politik zuletzt nicht weiter gelockert habe. Die Wirtschaft erhole sich wie erwartet, und die Inflation ziehe an. Er mahnte zudem, früheren geldpolitischen Entscheidungen Zeit zum Wirken zu geben. Es brauche “Geduld”. Er warnte auch erneut eindringlich vor steigenden Risiken der Niedrigzinspolitik – insbesondere für die Finanzstabilität, aber auch für den Reformeifer der Euro-Staaten.