EUROPEAN BANKING CONGRESS

Weidmann gegen "grüne" Geldpolitik

Bundesbankchef warnt vor Risiken für die Preisstabilität und die EZB-Unabhängigkeit - Debatte im Rat

Weidmann gegen "grüne" Geldpolitik

Beim diesjährigen, virtuellen European Banking Congress ging es um ein neues Modell für nachhaltiges Wachstum. Neben der Digitalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft war der Kampf gegen den Klimawandel ein zentrales Thema – und insbesondere auch die Rolle der Notenbanken in diesem Kampf.ms Frankfurt – Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat noch einmal eindringlich davor gewarnt, die EZB-Geldpolitik explizit in den Dienst des Kampfes gegen den Klimawandel zu stellen und speziell die Anleihekäufe an “grünen” Zielen auszurichten. “Ich stehe Vorschlägen sehr kritisch gegenüber, die Geldpolitik aktiv zur Verfolgung klimapolitischer Ziele einzusetzen”, sagte Weidmann am Freitag beim virtuellen European Banking Congress. Er zeigte sich sehr besorgt, mit einem solchen Schritt das Ziel der Preisstabilität und die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) zu riskieren. Lagarde drängtWeidmann untermauert damit seine Bedenken gegen eine explizit “grüne” Geldpolitik. Die Rolle der EZB im Kampf gegen den Klimawandel ist eines der am kontroversesten diskutierten Themen in der laufenden Überprüfung der EZB-Strategie, der ersten seit 2003. Vor allem EZB-Präsidentin Christine Lagarde drängt auf ein stärkeres Engagement der Notenbank und sie wähnt dabei große Teile der Öffentlichkeit hinter sich. Lagarde scheint auch bereit, bei den Anleihekäufen “grüne” Titel zu bevorzugen. Dagegen haben neben Weidmann aber auch andere Euro-Notenbanker Vorbehalte. Auch andere wichtige Zentralbanken wie die US-Notenbank Fed sind da bislang äußerst zurückhaltend.Weidmann betonte gestern, dass der Kampf gegen den Klimawandel zwar eine zentrale Herausforderung dieser Zeit sei und jeder seinen Beitrag leisten müsse. Das gelte auch für die Zentralbanken, insbesondere in ihrer Rolle als Aufsicht und Hüter der Finanzstabilität, aber auch beim eigenen Risikomanagement. “Das Eurosystem sollte erwägen, im Rahmen geldpolitischer Geschäfte nur solche Wertpapiere zu kaufen oder als Sicherheiten zu akzeptieren, deren Emittenten bestimmte klimabezogene Berichtspflichten erfüllen”, sagte Weidmann da etwa.Kritisch sieht er aber Vorschläge, die Geldpolitik aktiv für klimapolitische Ziele zu nutzen. Er nannte dafür drei Gründe. Erstens könnte es zu Konflikten mit dem Ziel der Preisstabilität kommen. “Wenn nötig, muss das Eurosystem auf die Bremse treten und das Volumen seiner Wertpapierkäufe oder seines Portfolios zurückfahren. Aber die Notwendigkeit, den Wandel zu unterstützen, verschwindet damit nicht.”Zweitens sei es nicht Aufgabe des Eurosystems, bestimmte Industrien zu bestrafen oder zu fördern. Solche Entscheidungen bräuchten eine starke demokratische Legitimierung und seien Sache von Regierungen und Parlamenten. Entsprechend wies er auch Forderungen an das Eurosystem klar zurück, Wertpapiere von den Kaufprogrammen auszuschließen, wenn deren Emittenten viel Kohlendioxid emittieren. Greenpeace und andere Organisationen hatten am Donnerstag in einem offenen Brief an den EZB-Rat bereits für die avisierte geldpolitische Lockerung im Dezember gefordert, “braune” Firmen vom Unternehmensanleihekaufprogramm der EZB auszunehmen (vgl. BZ vom 20. November).Drittens schließlich sollten sich Zentralbanken nicht zu viel aufladen. Weidmann zitierte da Nobelpreisträger Jean Tirole mit den Worten: “Wir müssen dem Trend widerstehen, Regierungsbehörden zu Organisationen zu machen, die alles versuchen, aber nichts richtig können.” Eine aktive Rolle in der Klimapolitik könne die Unabhängigkeit der Notenbanken untergraben und letztlich deren Fähigkeit gefährden, die Preisstabilität zu sichern. Dem Eurosystem sei Unabhängigkeit nicht gewährt worden, um Entscheidungen zu treffen, vor denen Politiker zurückschreckten, so Weidmann.Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau indes sagte am Freitag, dass die Euro-Hüter beim Thema Klimawandel weit weniger auseinanderlägen als mitunter gedacht. Bei der Antwort auf den Klimawandel könnten Zentralbanken nicht die einzigen Akteure sein, sagte Villeory de Galhau laut Reuters am Freitag auf einer Veranstaltung: “Aber wir müssen beitragen, und glauben Sie mir, es gibt bei dem Thema eine größere gemeinsame Basis in unserem EZB-Rat, als manchmal gesagt wird.”