Weidmann mahnt zu Mandatstreue

Bundesbank-Chef zu Notfallkaufprogramm: Flexibel heißt nicht grenzenlos - Bewegung nach EZB-Urteil

Weidmann mahnt zu Mandatstreue

In seiner ersten öffentlichen Rede nach Ausbruch der Corona-Pandemie verteidigt Bundesbank-Präsident Jens Weidmann die Krisenpolitik der EZB und betonte zugleich deren Grenzen. Das ist auch vor dem Hintergrund des Karlsruher Urteils von Bedeutung. EZB-Vize Luis de Guindos signalisiert Kooperation.rec Frankfurt – Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat gestern auf dem Frankfurt Finance Summit den Kriseneinsatz der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Corona-Pandemie verteidigt, zugleich aber dessen Grenzen betont. Es müsse klar sein, dass das Notfallanleihekaufprogramm PEPP “zeitlich begrenzt” sei, sagte Weidmann. “Die politischen Entscheidungsträger dürfen nicht annehmen, dass wir die Refinanzierungskosten der Regierungen für immer niedrig halten.”Die Währungshüter stemmen sich mit nie dagewesenen Maßnahmen gegen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Zentrales Instrument ist das Notfallanleihekaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme), das der EZB-Rat im März aufgelegt und Anfang Juni auf 1,35 Bill. Euro bis Mitte 2021 aufgestockt hat. Im Zuge von PEPP erwirbt das Eurosystem aus EZB und nationalen Notenbanken in erster Linie Staatsanleihen und hat Krisenländer wie Italien überproportional am Kapitalmarkt gestützt. Kritiker sehen darin monetäre Staatsfinanzierung, die der EZB laut EU-Vertrag verboten ist. Die Bundestagsfraktion der AfD hat angekündigt, vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen.Weidmann sagte, umfangreiche Käufe von Staatsanleihen müssten auf “außergewöhnliche Situationen” beschränkt bleiben. Explizit hob er auf die von EZB-Chefin Christine Lagarde betonte “Flexibilität” bei PEPP ab. “Flexibel heißt nicht grenzenlos”, sagte Weidmann. Er hob die Bedeutung des EZB-Kapitalschlüssels als Maßstab für die Anleihekäufe hervor. Auch plädierte er dafür, das Mandat der Preisstabilität eng zu interpretieren und die Geldpolitik nicht mit Aufgaben zu überfrachten.Unterstützung erhielt Weidmann von EZB-Vize Luis de Guindos. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin “Spiegel” sagte der Spanier: “Wir werden die Angleichung an den Kapitalschlüssel sicherstellen.” Damit stellte er sich gegen andere Überlegungen einzelner EZB-Ratsmitglieder. So hatte Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau vor der Juni-Sitzung ein Festhalten am Kapitalschlüssel als “eine unangemessene Einschränkung” bezeichnet (vgl. BZ vom 27. Mai).Besondere Brisanz hat die Debatte durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum regulären Anleihekaufprogramm PSPP (Public Sector Purchase Programme) erhalten. Karlsruhe hat der EZB drei Monate gegeben, um die Verhältnismäßigkeit der Anleihekäufe nachzuweisen. Laut Urteil darf die Bundesbank sonst nicht mehr am PSPP teilnehmen. Zuletzt zeichnete sich eine Lösung ab. So stellt die EZB laut Notenbankkreisen entsprechende Dokumente zusammen, die die Bundesbank an Bundesregierung und Bundestag weiterleiten soll (vgl. BZ vom 20. Juni). EZB-Vize de Guindos deutete zudem Kooperationsbereitschaft an: “Wir stehen bereit, mit der Bundesbank zusammenzuarbeiten und Informationen zur Verfügung zu stellen, um die Antwort, die die deutschen Institutionen dem Verfassungsgericht geben müssen, zu erleichtern.” Der EZB-Rat könnte dies bereits in seiner morgigen Sitzung absegnen. Erholung “quälend langsam”Unterdessen begrüßte Weidmann das Konjunkturpaket der Bundesregierung. Laut den Volkswirten der Bundesbank dürfte es das reale Bruttoinlandsprodukt 2020 um 1 % stärken, 2021 um 0,5 %. So könne sich die Wirtschaft “schneller erholen, als wir angenommen haben”, sagte Weidmann. Dennoch erwarte er eine “quälend langsame Erholung”. Im laufenden Quartal könnte die Wirtschaftsleistung “um beinahe ein Zehntel zurückgehen”, schreiben die Bundesbank-Ökonomen im gestern veröffentlichten Monatsbericht. Erst Ende 2022 werde sich die Wirtschaft vollständig erholt haben. Bleibende Schäden seien aber nicht zu erwarten. Voraussetzung: Mitte 2021 ist eine medizinische Lösung gegen das Coronavirus gefunden. Weidmann sieht die Bundesregierung trotz zugesagter Hilfen von mehr als 1 Bill. Euro samt zweier Nachtragshaushalte immer noch in der Lage nachzulegen: “Deutschland hat fiskalischen Spielraum für weitere Hilfen.”