Welthandelsorganisation warnt vor Folgen des Brexit
hip London – Der Chef der Welthandelsorganisation WTO hat die Briten vor den Kosten eines EU-Austritts gewarnt. Das Land müsste seine Handelsbeziehungen zu allen 161 anderen Mitgliedstaaten neu verhandeln. Eine Analyse der WTO habe gezeigt, dass sich die zusätzlichen Zölle, die britische Verbraucher nach einem Brexit auf Importe bezahlen müssten, auf 9 Mrd. Pfund summieren, sagte der brasilianische Karrierediplomat Roberto Azevedo der “Financial Times”. Zudem würden exportierte britische Produkte und Dienstleistungen mit Zöllen in Höhe von 5,5 Mrd. Pfund belegt.Er verglich den Großbritannien nach einem Brexit bevorstehenden Aufwand mit den langwierigen Verhandlungen, die Länder vor der Aufnahme in die WTO führen müssten. Das Land würde die Vorteile aus 36 Handelsabkommen, die von der EU mit 58 Staaten ausgehandelt wurden, nicht weiter genießen können. Fast der gesamte Außenhandel Großbritanniens müsste in irgendeiner Weise neu verhandelt werden.Großbritannien sei nicht in der Position, sagen zu können, dass es im eigenen Land keine Zölle erhebe. “Das ist illegal”, sagte der WTO-Chef. Möglich wäre allerdings, sämtliche Handelsbarrieren für WTO-Mitglieder aufzuheben und das Land in eine Volkswirtschaft wie Singapur zu verwandeln, räumte Azevedo ein. Dazu müssten aber die Schutzmaßnahmen aufgehoben werden, die bestimmte politisch sensible Branchen in der EU genießen. “Das ist möglich. Es ist aber auch sehr unwahrscheinlich.”Der britische Justizminister Michael Gove, der sich für einen Brexit einsetzt, legte unterdessen eine Studie vor, derzufolge “unsinnige” EU-Vorschriften für öffentliche Beschaffungsvorhaben die britischen Steuerzahler 1,7 Mrd. Pfund jährlich kosten. Er habe als Bildungsminister aus erster Hand erfahren, wie diese Vorschriften die Betriebskosten in die Höhe trieben und teure Verzögerungen von Bauprojekten bewirkten. Großbritannien wäre besser beraten, das Geld für Krankenhäuser und den Hochwasserschutz auszugeben, hieß es seitens “Vote Leave”, der Kampagne für den Austritt. In den vergangenen fünf Jahren hätten die Vorschriften, die sicherstellen sollen, dass Anbieter aus anderen EU-Staaten bei öffentlichen Ausschreibungen nicht benachteiligt werden, Kosten von mindestens 8,4 Mrd. Pfund verursacht. Das entspreche 25 Krankenhäusern.