HANDELSSTREIT DER SUPERMÄCHTE

Weltweite Angst vor Handelskrieg

Industrie, Unternehmer und Ökonomen warnen - Nur Anleger gelassen

Weltweite Angst vor Handelskrieg

jw/ba Frankfurt – Das Entsetzten über die neuste Eskalationsstufe im USA-China-Handelskonflikt hat am Dienstag hohe Wellen geschlagen. Die deutsche Exportwirtschaft reagierte alarmiert. “Mit seiner zerstörerischen Handelspolitik sägt Donald Trump weiter an den Fundamenten der Weltwirtschaft”, sagte der Präsident des deutschen Außenhandelsverbandes BGA, Holger Bingmann. Die “Zeche für das Chaos” müssten am Ende nicht nur die amerikanischen Bürger bezahlen. Der USA-China-Handelskonflikt treffe auch die deutsche Wirtschaft, betonte der Deutsche Industrie und Handelskammertag (DIHK). Deutsche Unternehmen hätten sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in China viel investiert und beschäftigten in beiden Wirtschaftsräumen jeweils rund eine Million Menschen, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. “Am Ende werden alle Produkte einfach teurer, ohne dass irgendjemand davon einen Mehrwert hätte”, betonte Treier. Die Unternehmen benötigten dringend wieder Klarheit und Verlässlichkeit über die weltweiten Rahmenbedingungen. BDI-Präsident Dieter Kempf forderte, die USA und China sollten den Konflikt dringend deeskalieren und auf dem Verhandlungsweg Lösungen finden. China müsse sich mit der Kritik seiner Handelspartner ernsthaft auseinandersetzen. “Die EU, die USA und Japan sollten daher gemeinsam gegen Marktverzerrungen vorangehen, aber nicht durch ad hoc verhängte Schutzzölle, sondern durch eine Stärkung der Welthandelsorganisation WTO”, so Kempf.Auch prominente Unternehmer beider Volkswirtschaften meldeten sich zu Wort. Der Gründer des Online-Einzelhandelsriesen Alibaba, Jack Ma, warnte in Schanghai, die Spannungen zwischen den Staaten im Handel könnten noch zwei Jahrzehnte nachklingen. “Selbst wenn Donald Trump abtritt und ein neuer Präsident kommt, werden sie weitergehen.” Dagegen sagte Apple-Chef Tim Cook er sei zuversichtlich, dass die Länder das Problem lösen werden. “Ich bin optimistisch, weil der Handel zu den Dingen gehört, die kein Nullsummenspiel sind.” Und auch die Zentralbank Australiens – das seit 27 Jahre ohne Rezession auskommt – meldete sich zu Wort: “Die Richtung der internationalen Handelspolitik der Vereinigten Staaten ist weiterhin eine Quelle der Unsicherheit für die Aussichten der Weltwirtschaft”, betonte die Notenbank. EU könnte profitierenÖkonomen zeigten sich besorgt, dass ein Handelskrieg der beiden größten Volkswirtschaften Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft haben könnte: “Der Handelskrieg zwischen den USA und China erhöht die weltwirtschaftlichen Risiken deutlich”, so der Leiter des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft, Gabriel Felbermayr. Er führe zu Aufwertungsdruck auf den Dollar – das belaste die Schwellenländer. In China selbst kämen verschuldete Unternehmen unter Druck, das Wachstum würde nur bedingt leiden. “Sollten die Zölle gegen Jahresende von 10 auf 25 % steigen, dann beträgt der Bremseffekt 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte. Das ist spürbar, aber bei einem chinesischen Wachstum von etwa 6,5 % im Jahr ist die Auswirkung überschaubar”, so Felbermayr. Zum großen Profiteur, könnte dem Experten zufolge die EU werden, wenn sich China im Zuge des Handelskonflikts zu Zugeständnissen im Rahmen der WTO drängen lasse. Das nutze der wettbewerbsfähigen deutschen Industrie mehr als der amerikanischen. Längerfristig betrachtet könnte laut Ökonomen auch das US-Wachstum leiden und die US-Inflation anziehen – wenn auch nur um wenige Zehntelprozentpunkte. “Damit dürfte sicherlich ein Teil des Wachstumsimpulses der von Trump beschlossenen Steuersenkungen wieder wettgemacht werden”, so Bernd Krampen von der Nord/LB. Märkte blicken eher auf BrexitIm Gegensatz zu Ökonomen und Unternehmern haben sich private und institutionelle Anleger bereits an die unberechenbare Handelspolitik Trumps gewöhnt, auch wenn Trump die Märkte mit den immer wieder neuen Ankündigungen von Strafzöllen gegen diverse Handelspartner verunsichert. Dies zeigt sich im aktuellen Sentix-Politikbarometer. Dazu trage der Eindruck bei, dass es Trump nicht um Abschottung gehe, sondern darum, Handelsschranken zu schleifen, kommentierte Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter rund 1 000 Investoren. Der Ton sei zwar rau, “aber das Ergebnis für die Finanzmärkte annehmbar”. Im Mittelpunkt des Anlegerinteresses steht dagegen der Brexit – Hübner zufolge fürchten die Anleger dass die rund sechs Monate, die bleiben um das künftige Verhältnis zwischen Großbritannien und der EU zu regeln, zu wenig sind. Allerdings wurde die Umfrage am 15. September abgeschlossen, also noch vor der jüngsten Eskalation im Handelskonflikt zwischen USA und China.