Weniger Umsatz im Einzelhandel
Der Einzelhandelsumsatz in Deutschland ist im Juli überraschend zurückgegangen. Ökonomen hatten mit einer leichten Erholung gerechnet. Die Debatte über die Wirkung der Mehrwertsteuersenkung erhält neuen Auftrieb. Nur der Großhandel sendet verhalten optimistische Signale. Die Lage bleibt aber volatil. ast Frankfurt – Es sind enttäuschende Zahlen, die das Statistische Bundesamt (Destatis) am Mittwoch zum Einzelhandelsumsatz veröffentlicht hat. Demnach nahmen die deutschen Einzelhändler im Juli 0,3 % weniger ein als noch im Juni. Preisbereinigt sank der Umsatz gar um 0,9 %. Ökonomen hatten mit einem Wachstum von 0,5 % gerechnet.Für die ersten sieben Monate des Jahres steht immerhin ein Umsatzplus von 3,8 % zu Buche – trotz Coronakrise. Allerdings profitieren nicht alle Branchen von der positiven Entwicklung. So kam der Online-Handel auf ein Wachstum von 20,6 %. Im Textilhandel brach das Geschäft hingegen um 27,7 % ein. Das lässt sich mit dem Lockdown erklären: Der stationäre Einzelhandel musste Geschäfte schließen, während der Online-Handel von zusätzlichen Kunden profitierte.”Die aktuellen Zahlen zeigen, dass insbesondere der Bekleidungshandel weiterhin enorm unter Umsatzrückgängen leidet”, sagte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands (HDE). Hier wirken nach wie vor Corona-Maßnahmen wie die Maskenpflicht und das Abstandsgebot in Ladengeschäften. Das mindert die Lust am Einkaufen, wie eine Yougov-Umfrage im Juli ergab. Demnach gehen drei von fünf Deutschen mit Mund-Nasen-Schutz weniger gerne einkaufen.Der HDE warnt vor einer Pleitewelle. Auch angesichts zunehmender Infektionszahlen steigt die Sorge vor einem erneuten Lockdown mit flächendeckenden Geschäftsschließungen. Das hatte im Frühjahr bereits heftige Umsatzeinbrüche zur Folge. “Deshalb muss die Bundesregierung die Hürden für die Beantragung von Überbrückungshilfen absenken, ansonsten drohen in dieser Kernbranche für attraktive Innenstädte viele Insolvenzen”, mahnte Genth.Etwas besser sieht die Situation im Großhandel aus. Die Umsätze lagen hier im zweiten Quartal 2020 zwar preisbereinigt um 2,6 % unter dem Vorjahresquartal. Nach den beiden kräftigen Umsatzeinbrüchen in den Monaten April und Mai hat sich nach vorläufigen Zahlen der Umsatz im Juni aber wieder gefangen. Gegenüber dem Vormonat sind die Umsätze real um 3,4 % gestiegen, liegen allerdings damit immer noch um 3,9 % unter dem Niveau vom Februar, also dem Monat vor den Corona-Einschränkungen. Ines Kitzing vom Großhandelsverband (BGA) zeigt sich denn auch vorsichtig optimistisch: “Nach dem massiven Einbruch der Großhandelsumsätze im Frühjahr scheint die Talsohle erreicht, ja sogar durchschritten zu sein.” Allerdings sei die Lage nach wie vor volatil. Zur Sicherstellung der Liquidität von Unternehmen müsse man daher auch über die Besteuerung sprechen.Als Teil ihres Hilfspakets in der Coronakrise hatte die Bundesregierung eine zeitlich begrenzte Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 % auf 16 % zum 1. Juli beschlossen. Die Hoffnung war, dass diese einen positiven Effekt auf die Belebung des Einzelhandels haben werde. Danach sieht es derzeit nicht aus. “Allerdings ist es zu früh, die Steuersenkung als unwirksam abzuschreiben”, sagte Michael Holstein, Ökonom der DZ Bank. “Sie kann in den restlichen Monaten des Jahres noch einen positiven Effekt haben.” Ruf nach VerlängerungDer HDE beobachtet ebenfalls, dass die Absenkung den Händlern bislang “wenig bis übersichtliche Impulse” bringe. Allerdings sei die Steuersenkung ein “positives Signal für die Konsumstimmung”, so Genth. Er fordert, die Mehrwertsteuer auch über den 31. Dezember dieses Jahres hinaus beim erniedrigten Satz von 16 % zu belassen, um spürbare Effekte in der Zeit nach der Krise zu erzeugen. Zwar beklagten viele Händler den gewachsenen Verwaltungsaufwand – allein durch die Anpassung der Preise -, versprachen aber, die Senkung an die Kunden weiterzureichen.Ökonomen sind uneins über die Wirkung der Steuersenkung. Allerdings zählte eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Juli 4,2 Millionen mehr Passanten in deutschen Innenstädten als im Juni. 1,7 Millionen von ihnen hat die Senkung der Mehrwertsteuer angetrieben, so die Studienautoren.