„Wir haben einen präzisen Plan“
Von Angela Wefers, Berlin
Es war ein Auftakt mit Überlänge. Statt der zunächst geplanten Stunde brauchte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner ersten Regierungserklärung fast 90 Minuten, um die Pläne des neuen Bündnisses aus SPD, Grünen und FDP darzulegen. Selbst die kurzfristig ankündigten 15 Minuten Nachspielzeit reichten dafür nicht aus. Mit der ersten großen Rede im neuen Amt vor dem Bundestag wollte Scholz Mut machen mit Blick auf die „großen Aufgaben und großen Veränderungen zu Beginn der 20er-Jahre des Jahrhunderts“. Die Pandemie, der Klimawandel samt angekündigter Wende der Ampel in der Umweltpolitik oder die Folgen von Globalisierung und Migration, dies macht vielen Menschen Sorgen. Scholz zeigte sich zuversichtlich: Die Regierung nehme die Herausforderungen der Zeit an und werde sie bewältigen, versprach Scholz, „nicht weil wir die Probleme unterschätzen, sondern weil wir einen präzisen Plan dafür haben“, wie diese gelöst werden könnten. „Das moderne Deutschland, unser Deutschland, ist ein starkes Land“, betonte Scholz. „Wir alle gemeinsam haben nicht den geringsten Grund, uns vor der Zukunft zu fürchten – ganz im Gegenteil.“ Er rief dazu auf zusammenzuhalten in einer solidarischen Gesellschaft des Respekts mit „ehrgeizigen Zielen“ und mit „Fortschritt in die richtige Richtung“. Dann werde nicht nur die Corona-Pandemie bewältigt, „dann werden wir Deutschen auch gemeinsam erfolgreich sein“.
Fit für das 21. Jahrhundert
Der Kanzler versprach, die kommenden vier Jahre dafür zu nutzen, „Deutschland strukturell fit zu machen für die Welt des 21. Jahrhunderts“. Konkret sagte er wenig, das nicht schon im Koalitionsvertrag nachzulesen war. Für das kommende Jahr kündigte Scholz ein „umfassendes Sofortprogramm“ an, mit dem Treibhausgase „quer durch alle Sektoren“ verringert werden sollen. Klimaschutz werde in dieser Bundesregierung zu einer zentralen Querschnittsaufgabe, an deren Erfolg sie sich messen lassen wolle. Neue Finanzspielräume entstünden durch Wachstum und kluge Investitionen, konstatierte Scholz. Darum werde nicht gegen die Krise angespart, sondern mit breiten Hilfen und hohen Investitionen werde es möglich gemacht, aus der Krise herauszuwachsen.
Mit Blick auf die Ausgaben des Bundes mahnte Scholz: „Nicht alles, was wünschenswert ist, wird sofort machbar sein.“ Die Transformation könne aber sicher finanziert werden. Dafür wolle die Regierung den „verfassungsgemäß zulässigen Spielraum“ nutzen. Präziser wurde der Kanzler nicht. Er reagierte auch nicht auf die Absicht der Unionsfraktion, die Operation der Ampel, Notfall-Kreditermächtigungen aus der Coronakrise für Klimaschutz umzuwidmen, vom Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen.
Konstruktive Opposition
Oppositionsführer Ralph Brinkhaus (CDU) ist in seiner neuen Rolle angekommen. Der gewandte Rhetoriker lebte geradezu auf, nachdem er in den vergangenen Monaten einen moderaten Kurs gefahren hatte, um die eigenen Truppen zusammenzuhalten. Scholz hatte zuvor zeitweise das Tempo seine Vortrags beschleunigt, weil ihm die Zeitnot bewusst zu sein schien, konnte dabei jedoch nicht an Verve gewinnen. Die eigenen Reihen klatschten viel, aber höflich. Brinkhaus spottete: „Ich erwarte von einem Bundeskanzler in der ersten Regierungserklärung nicht, dass er kleinteilig den Koalitionsvertrag referiert, ich erwarte, dass er die großen Linien zeigt.“ Der Kanzler spreche viel über Fortschritt und Zukunft. Dies brauche aber Begeisterung. „Diese Begeisterung habe ich in den letzten 90 Minuten nicht gesehen“, sagte Brinkhaus. Für die Union versprach er eine konstruktive Opposition, die sich mit eigenen Vorschlägen positionieren werde. „Unser Bild vom Land“ werde sie „durch unsere Anträge, Debattenbeiträge und durch unsere Diskussionen dieser Regierung aufzwingen“.