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Wird die Globalisierung Covid-19 überleben?

Die Coronakrise hat ein lange etabliertes Wirtschaftssystem durcheinandergewirbelt: die Globalisierung.

Wird die Globalisierung Covid-19 überleben?

Die Coronakrise hat ein lange etabliertes Wirtschaftssystem durcheinandergewirbelt: die Globalisierung. Die erste Welle der Globalisierung war bereits Ende des 19. Jahrhunderts zu beobachten. Fahrt nahm die Verflechtung der Welt jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg auf. Institutionen wie die Vereinten Nationen oder der Internationale Währungsfonds wurden gegründet, um den Rahmen für globales Wirtschaftswachstum und internationalen Handel zu schaffen. Anfang der 1990er Jahre startete die Ära der Hyperglobalisierung. Zölle und Regulierungen wurden heruntergefahren, komplexe globale Wertschöpfungsketten aufgebaut, die Produktion in Billiglohnländer verlagert.

Mit der Finanzkrise 2008/09 kam der Dämpfer. Es begann eine Phase, die der „Economist“ als Slowbalisation bezeichnete und die bis heute anhält. Nationale Ziele rückten wieder stärker in den Vordergrund, das Verhältnis zwischen den USA und China kühlte sich ab. Der internationale Handel stagniert, die ausländischen Direktinvestitionen haben das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht. Wird die Corona-Pandemie die Slowbalisation forcieren oder wird sie gar eine Deglobalisierung einläuten?

Entscheidend hierfür ist, wie stark sich die USA und China entkoppeln. Eine Entzweiung bedroht das geopolitische Gleichgewicht, das nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist. Im Streit der beiden größten Volkswirtschaften geht es weniger um Handel oder Produktionsverlagerung, sondern um die künftige Technologieführerschaft in der Welt.

Technologie war schon immer ein Globalisierungstreiber, sei es beim Transport oder der Kommunikation. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sie aber auch wirtschaftliche Strukturen verändert, weg von materiellen hin zu immateriellen Werten. Dienstleistungen treten für den Konsumenten in den Vordergrund. Diese Entwicklung wirkt einer Globalisierung eher entgegen. Covid-19 hat diesen Trend zu einer digitalen Welt beschleunigt.

Zudem belastet die Pandemie den internationalen Handel. 2020 dürfte das globale Handelsvolumen gar im zweiten Jahr in Folge fallen. Technologischer Fortschritt hat erste Lieferketten schon vor Corona kürzer werden lassen. Roboter und 3-D-Druck sind nur zwei Beispiele, die dazu beitragen, dass die Produktion lokaler werden kann, was weniger Handel und Logistik bedeutet. Covid-19 hat die Risiken von komplexen internationalen Verkettungen verdeutlicht. Einige derzeit eingefrorene lange Lieferketten werden wohl nie wieder aktiviert oder zumindest verkürzt.

Regionalität nimmt zu

Auch nach der Pandemie werden sich diese Trends fortsetzen und teilweise verstärken. Eine mögliche Folge ist eine zunehmende Regionalisierung der Welt. Zusammengefasst erwarten wir, dass die Globalisierung sich in Richtung eines Modells entwickelt, das regionaler, stärker auf Dienstleistungen fokussiert und weniger kapital- und energieintensiv ist. Dies stellt auch Investoren vor Herausforderungen – und Chancen. Langfristige Anlagestrategien sollten die großen Trends insbesondere im Technologie- und Gesundheitsbereich, die durch Covid-19 beschleunigt wurden, berücksichtigen. Die Wachstumszentren der künftigen Regionalisierung, vor allem in Asien, eröffnen robuste strategische Anlagemöglichkeiten.

Wenig Veränderung ist an der Zinsfront zu erwarten. Covid-19 hat das Niedrigzinsumfeld verschärft, und die großen Notenbanken dürften für längere Zeit auf Zinserhöhungen verzichten. Inflationsseitig sollte dafür kein Bedarf herrschen: Eine schnell steigende Inflation, ausgelöst durch die enormen fiskalischen und geldpolitischen Unterstützungsmaßnahmen während der Pandemie, erwarten wir nicht.

Die Coronakrise und die Slowbalisation treffen die großen wirt­schaftlichen Blöcke unterschiedlich. Die USA sind für weniger Globalisierung relativ gut aufgestellt. Die S&P-500-Unternehmen erwirtschaften fast 70% ihrer Umsätze in den USA. Dienstleistungen überwiegen Waren, was die Effekte kürzerer Lieferketten abfedern sollte. Für das seit Längerem von Investoren eher verschmähte Europa eröffnen sich durch die Krise neue Chancen, und es mehren sich wieder konstruktive Stimmen für die Anlageregion. Am anfälligsten für die neue Normalität scheinen die Emerging Markets mit Ausnahme von China. Schwächelnde Währungen, fiskalischer Druck, aber auch die global zunehmende Automation stellen sie vor Herausforderungen.

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