Wirtschaftsflügel der Union kritisiert Koalitionsvertrag

"Verlust des Finanzressorts widerspricht Balance"

Wirtschaftsflügel der Union kritisiert Koalitionsvertrag

wf Berlin – Scharfe Kritik am Wechsel des Bundesfinanzministeriums an die SPD in einer neuen Regierung kommt vom Wirtschaftsflügel der Union. “Die Ressortaufteilung lässt jede Ausgewogenheit vermissen”, konstatierte Carsten Linnemann (CDU), Bundesvorsitzender der MIT, der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, in Berlin. “Sie widerspricht allen Regeln, die es bislang unter Koalitionären gab: nämlich eine ausbalancierte, gerechte Verteilung der wichtigsten Ministerien.” Die CDU treffe sie “mitten ins Mark”. Auch der Wirtschaftsrat der CDU – eine parteinahe Unternehmervereinigung – übte Kritik. “Das Finanzressort aus der Hand zu geben, überwiegt alle anderen negativen Ergebnisse dieses Koalitionsvertrages”, sagt Generalsekretär Wolfgang Steiger der Nachrichtenagentur Reuters. Die Ressortverteilung spiegele nicht das Wahlergebnis wider.Die SPD wird laut Koalitionsvertrag künftig die drei großen Ressorts Auswärtiges, Finanzen sowie Arbeit/Soziales führen. Das Finanzministerium tauscht sie gegen das Wirtschaftsressort. Für Linnemann gibt die CDU damit “Gestaltungsanspruch in entscheidenden Bereichen ab”. Zudem sieht er seine Partei vor einem massiven Bedeutungsverlust und sogar in ihrer Position als Volkspartei bedroht. In der Europa- und Haushaltspolitik sei die CDU immer ein Garant für Solidität gewesen. “Das ist jetzt infrage gestellt”, erklärte Linnemann. Gesetze vom Kabinetttisch müsse die Bundestagsfraktion nun genau prüfen. Linnemann rief dazu auf, nötigenfalls Regierungshandeln infrage zu stellen. Die Partei könne ein solcher Schritt revitalisieren. Gute Akzente habe der Koalitionsvertrag allerdings in den wichtigen Bereichen innere Sicherheit und Integration gesetzt. Für Steiger droht Deutschland nun auf eine Rutschbahn zum Geldverteilen zu geraten. SPD hofft auf ZustimmungDie SPD zeigte sich zuversichtlich, dass die Parteibasis den Weg für die neue Regierung freimachen wird. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil wertete den Koalitionsvertrag und die Ressortverteilung als großen Erfolg für seine Partei. Ob die SPD-Mitglieder dies mittragen, werde am 4. März klar sein. Die Sprecher des Managerkreises der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung sprachen sich ausdrücklich für die Annahme des Koalitionsvertrages durch die SPD-Mitglieder aus. “Die SPD sollte die Chance zur Gestaltung des Landes beherzt annehmen”, erklärte Klaas Hübner, Sprecher des Kreises. “Der ausgehandelte Koalitionsvertrag bietet die greifbare Möglichkeit, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, unser Land gerechter und moderner zu machen und ein soziales und demokratisches Europa zu schaffen.” Die CSU wird nach eigenem Bekunden in einer Vorstandssitzung am 5. März entscheiden, wer die Ressorts Verkehr und Entwicklungshilfe besetzt. Nach Medienspekulationen werden dies Generalsekretär Andreas Scheuer und Dorothee Bär, Staatssekretärin im Verkehrsministerium, sein.