GASTBEITRAG

Wirtschaftsstabilisierungsfonds fängt Schäden ab

Börsen-Zeitung, 25.3.2020 Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf über die Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) in Höhe von 600 Mrd. Euro beschlossen, welcher wirtschaftliche Schäden, die den Unternehmen durch die Coronakrise...

Wirtschaftsstabilisierungsfonds fängt Schäden ab

Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf über die Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) in Höhe von 600 Mrd. Euro beschlossen, welcher wirtschaftliche Schäden, die den Unternehmen durch die Coronakrise drohen, abfangen soll. Überraschend und durchaus nicht unkritisch zu betrachten ist die Wahl des Rahmens für den Fonds: Es erfolgt eine Neuauflage des aus der Finanzkrise 2008/2009 “bekannten” Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes (FMStFG), ein Rahmen, der in der Finanzbranche aufgrund strenger Regularien bereits damals keinen großen Anklang fand.Welche Maßnahmen umfasst der WSF? Mit dem “Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz” (WStFG) wird der WSF als Ergänzung zu den Hilfen, die als Darlehen über das KfW-Sonderprogramm 2020 beansprucht werden können, ins Leben gerufen. Während das KfW-Sonderprogramm einen schnellen Zugang zu Liquidität durch verbesserte Förderbedingungen und verschlankte Prozesse beim Darlehensantrag ermöglichen soll, zielt der WSF auf eine bilanzielle Entlastung und direkte Eigenkapitalstärkung von Unternehmen ab. Dafür sind die folgenden Stabilisierungsinstrumente vorgesehen: Ein Garantierahmen von 400 Mrd. Euro, um Liquiditätsengpässe in Unternehmen abzufangen und die Refinanzierung der Unternehmen zu unterstützen, sowie eine Kreditermächtigung von 100 Mrd. Euro zur Rekapitalisierung, d.h. den direkten Erwerb von Beteiligungen an Unternehmen, Genussrechten oder Nachranganleihen durch den WSF. Zudem beinhaltet der WSF weitere 100 Mrd. Euro zur Refinanzierung der KfW.Welche Unternehmen können Stabilisierungshilfen unter dem WSF in Anspruch nehmen? Unternehmen, die in den letzten beiden Geschäftsjahren mindestens zwei von drei Kriterien erfüllen: eine Bilanzsumme von mehr als 43 Mill. Euro, mehr als 50 Mill. Euro Umsatzerlöse sowie mehr als 249 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt. Im Einzelfall können auch kleinere Unternehmen diese Hilfen in Anspruch nehmen, sofern sie für die sogenannte “kritische Infrastruktur” wichtig sind. “Too big to fail”Der WSF erinnert an das “Too big to fail”-Prinzip und stützt primär Unternehmen, deren Bestandsgefährdung “erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft, die technologische Souveränität, Versorgungssicherheit, kritische Infrastrukturen oder den Arbeitsmarkt” hätte. Unternehmen, die hierunter nicht erfasst sind, werden durch flankierende Gesetzesinitiativen und besonders das KfW-Sonderprogramm gestützt.Voraussetzung für die Gewährung von Maßnahmen ist, dass dem Unternehmen keine anderweitigen Finanzierungsmittel zur Verfügung stehen, durch die Stabilisierungsmaßnahme eine klare, eigenständige Fortführungsperspektive nach der Corona-Pandemie für das Unternehmen besteht und das Unternehmen vor Beginn 2020 nicht bereits in finanziellen Schwierigkeiten war.Der WSF greift ausdrücklich nur für Unternehmen der Realwirtschaft. Nicht erfasst ist der Finanzsektor, welcher durch eine Entlastung auf operationeller Ebene unterstützt werden soll. Deshalb wird u. a. der EU-weite Stresstest für Banken auf 2021 verschoben; auch die Empfehlungen zur Eigenkapitalausstattung sind gelockert worden.Stabilisierungsmaßnahmen gewährt das Bundesfinanzministerium im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium. Primäre Frage ist, ob und wie damit die erforderliche schnelle und effiziente Genehmigung gewährleistet werden kann. Gerade dies dürfte für eine Wirksamkeit der Maßnahmen maßgeblich sein.Wie können die Stabilisierungsmaßnahmen des WSF aussehen? Das primäre Instrument des WSF ist die Stabilisierung durch Garantien: Zur Behebung von Liquiditätsengpässen und Unterstützung einer Refinanzierung am Kapitalmarkt kann der WSF Schuldtitel und Verbindlichkeiten garantieren, die nach Inkrafttreten des WStFG begeben bzw. begründet wurden. Die Begebung der Garantie ist dabei marktgerecht zu vergüten. Weitere Einzelheiten und Bedingungen der Garantiebegebung – Ausgestaltung, Gegenleistung, Obergrenzen – werden durch Rechtsverordnung geregelt.Als nur subsidiär zu nutzendes Stabilisierungsmittel sind die Rekapitalisierungsmaßnahmen vorgesehen. Danach kann sich der WSF direkt an Unternehmen beteiligen, durch (1) den Erwerb nachrangiger Schuldtitel, Anleihen, Genussrechte oder stiller Beteiligungen, (2) den Erwerb von Anteilen oder (3) die Übernahme sonstiger Bestandteile des Eigenkapitals. Die Rekapitalisierung erfolgt ebenso wie die Garantiebegebung zu “marktgerechten Bedingungen” und wird im näheren durch Rechtsverordnung geregelt. Solche Beteiligungen sollen dabei nur eine Notlösung darstellen, wenn ein wichtiges Interesse des Bundes an der Stabilisierung des Unternehmens besteht und sich dies nicht besser und wirtschaftlicher erreichen lässt.An welche Bedingungen sind die Maßnahmen geknüpft? Wie schon in der Finanzkrise 2008/2009 heißt es auch hier: Wer staatliche Mittel nutzen möchte, muss bereit sein, sich gegebenenfalls erheblichen Einschränkungen in seiner sonstigen Unternehmensführung zu unterwerfen. Dies beinhaltet zum einen, dass mit Gewährung der Mittel Auflagen erteilt werden können für die Gewähr einer soliden und umsichtigen Geschäftspolitik, besonders zur Stabilisierung von Produktionsketten sowie zur Sicherung von Arbeitsplätzen. Zum anderen sollen über Rechtsverordnung weitere Einschränkungen für die Unternehmensleitung festgelegt werden, vor allem zur Vergütungsbegrenzung, Verwendung der Mittel, Dividendenausschüttung sowie zur weiteren Eigenmittelausstattung. Ausnahme von EU-BeihilfeIst dies beihilferechtlich zulässig? Der WSF muss von der EU-Kommission als “Beihilferegelung” genehmigt werden. Einzelne, unter dem WSF gewährte Maßnahmen müssen dann nicht erneut genehmigt werden. In der Finanzkrise genehmigte die Kommission das FMStFG mit der Maßgabe, dass begünstigte Banken binnen sechs Monaten einen Umstrukturierungsplan vorlegen mussten. Ob für den WSF eine vergleichbare Regelung gelten wird, bleibt abzuwarten. Die Umstrukturierungspläne wurden teilweise über Jahre verhandelt und führten vielfach dazu, dass sich die betroffenen Banken in erheblichem Maße neu (üblicherweise deutlich “kleiner”) aufstellen mussten. Die Coronakrise kann aber, anders als die Finanzkrise, nicht als “selbstverschuldet” bezeichnet werden. Die Kommission dürfte daher beim WSF andere – weniger einschneidende – Maßstäbe anlegen als beim FMStFG. Auflagen mit BremswirkungDer Gesetzentwurf spricht von einer Nutzung des “bewährten Rahmenwerks des FMStFG”. Die Maßnahmen, die die deutsche Regierung in der Finanzkrise ergriffen hat, haben der Finanzbranche Sicherheit verschafft. Sicher sind auch die nun vorgesehenen Mittel wirksam, wirtschaftliche Schäden abzufangen. Mithilfe des FMStFG wurden die Commerzbank, die WestLB sowie die HRE stabilisiert und zum Teil marktschonend abgewickelt. Die HSH Nordbank konnte, mittelbar durch das FMStFG, durch staatliche Hilfen so weit entlastet werden, dass sie 2018 privatisiert wurde (namentlich unter Olaf Scholz als damaligem Hamburger Erstem Bürgermeister). Andere Institute nahmen von den FMStFG-Hilfen Abstand, vor allem wohl aufgrund der damit einhergehenden Einschränkungen für eine freie und wirtschaftlich unabhängige Unternehmensführung, nicht zuletzt auf Vergütungsebene. Es bleibt abzuwarten, wie Unternehmen der Realwirtschaft die Regelungen aufnehmen. Wilhelm Haarmann*, Partner der Kanzlei McDermott Will & Emery*mit den Co-Autoren Renate Prinz sowie Daniel von Brevern und Andrea Stockhorst – alle Rechtsanwälte, Partner oder Counsel bei der Kanzlei McDermott Will & Emery in Düsseldorf/Köln und Frankfurt.