Wirtschaftsweise machen sich für Statistik stark
Wirtschaftsweise machen sich für die Statistik stark
"Bessere Entscheidungen durch bessere Daten" – Mehr Geld und Personal für Destatis gefordert
ba Frankfurt
Deutschland hinkt bei der Forschungsdateninfrastruktur im internationalen Vergleich hinterher. "Wichtige Daten fehlen, sind nicht zeitnah verfügbar, lassen sich kaum verknüpfen und der Datenzugang ist benutzerunfreundlich", moniert der Sachverständigenrat Wirtschaft in seinem Jahresgutachten. Denn datenbasierte Analysen seien nicht nur "eine unverzichtbare Grundlage für gute Entscheidungen in Politik und öffentlicher Verwaltung", sondern auch nötig, um hinterher die Erfolge zu messen und nachzujustieren bzw. Maßnahmen künftig zielgenauer und kosteneffizienter ausgestalten zu können.
Um die Rückstände abzubauen, sei eine mehrgleisige Strategie nötig. Dazu gehören unter anderem eine Neuausrichtung der Statistikgesetzgebung, mehr personelle und finanzielle Ressourcen für das Statistische Bundesamt (Destatis) sowie ein neues Forschungsdatengesetz. "Jede Verbesserung der deutschen Dateninfrastruktur ist eine Investition in besser fundierte, zielgenauere und kosteneffizientere Politikentscheidungen“, betonte Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft.
Unterstützung vom Ifo-Institut
Auch das Münchener Ifo-Institut beklagt die Datenlage hierzulande. An diesem Freitag wollen die Münchener Wirtschaftsforscher Vorschläge aus der Wissenschaft präsentieren, wie das Defizit behoben werden könnte. "Die Wissenschaft bekommt Daten zu spät, zu wenig, zu ungenau, zu isoliert, zu kompliziert und muss zu viele Datenschutzhürden überwinden", so die Klage aus München. Abhilfe soll das kommende Forschungsdatengesetz schaffen. Daten, die ohnehin zur Verfügung stehen, sollen so für die Forschung nutzbar gemacht werden: "Um eine bessere Politikberatung zu ermöglichen, eine größere parlamentarische Kontrolle und am Ende mehr Wohlstand in Deutschland – ohne individuelle Freiheiten zu beschränken oder mehr Bürokratie zu verursachen", heißt es in der Ifo-Einladung.
Krisen zeigen Defizite
Besonders deutlich haben sich die Defizite während der Corona-Pandemie und der Energiekrise gezeigt, als anders als etwa in Frankreich und den USA die getroffenen Maßnahmen nicht begleitend evaluiert werden konnten. Hierzulande gab es keinerlei hochfrequente Befragungen, um etwa die Betroffenheit von Haushalten zu messen.
Auf politischer Ebene seien die Probleme prinzipiell erkannt, wie das Registermodernisierungsgesetz, das Forschungsdatengesetz oder der europäische Data Governance Act zeigen. Die Fortschritte seien aber zu langsam. Das Forschungsdatengesetz, das der Forschung umfangreiche Rechte zur Nutzung und Verknüpfung von Daten einräumt, sollte zügig verabschiedet werden, fordern die Wirtschaftsweisen.
Informationsbedarf in den Mittelpunkt rücken
Hierzulande wird die Forschungsdateninfrastruktur maßgeblich von den Rahmenbedingungen der amtlichen Statistik bestimmt. Hier müsse der seit der Jahrtausendwende angestrebte Paradigmenwechsel von der Inputorientierung zur Outputorientierung "endlich konkretisiert und umgesetzt werden". Der Fokus müsse auf den Informationsbedarfen und Dienstleistungen liegen, die bereitgestellt werden sollen, statt auf den Datenquellen, die genutzt werden dürfen. Mehr Personal und finanzielle Ressourcen würden die Reaktionsschnelligkeit und die Qualität der amtlichen Statistik verbessern. Das würde sich lohnen, rechnen die Wirtschaftsweisen vor. Die Zusatzkosten von angenommen 130 Mill. Euro jährlich (das sind 50% des durchschnittlichen Destatis-Budgets der Jahre 2021 bis 2023) hätten für knapp 18 Jahre getragen werden können, wenn man annimmt, dass durch die Hilfestellung durch bessere Daten die Mitnahmeeffekte der Coronahilfen bei Unternehmen um 5% geringer ausgefallen wären.
Prozessdaten stärker nutzen
"Um ein effektiver öffentlicher Informationsdienstleister für das als Informationszeitalter deklarierte 21. Jahrhundert zu werden" empfehlen die Wirtschaftsweisen, einen Forschungsauftrag für Destatis gesetzlich zu verankern und dort Forschungsdatenzentren einzurichten. Aus makroökonomischer und wirtschaftspolitischer Sicht bedürfe es einer hochfrequenten Haushaltsbefragung. Das größte Potenzial zur Verbesserung des Datenangebots der amtlichen Statistik sehen die Wirtschaftsweisen in einer deutlich umfangreicheren Nutzung administrativer Prozessdaten. Diese stünden kostengünstig, zeitnäher und ohne zusätzliche Belastungen für Unternehmen und Haushalte zur Verfügung – und seien oft deutlich genauer sind als Befragungsdaten.