Wirtschaftsweise mahnen EZB

Nullzins setzt Banken noch weiter unter Druck - Debatte über "Schwarze Null"

Wirtschaftsweise mahnen EZB

lz Frankfurt – Der Konjunkturaufschwung in Deutschland verliert an Tempo. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Wirtschaftsweise) hat deshalb seine Prognose jetzt leicht nach unten revidiert von 1,6 auf 1,5 % im laufenden Jahr. Für 2017 gehen sie von einem Plus von 1,6 % aus. Die Arbeitsmarktlage bleibt der Prognose nach zwar stabil, die Zahl der Jobsucher wird sich aber wegen der Flüchtlinge der Dreimillionenmarke annähern, heißt es in einem Update der Prognose vom November 2015. Bis Ende 2017 geht der Rat von 250 000 zusätzlichen Arbeitslosen infolge der Flüchtlingsmigration aus. Fiskalpolitisch, so der Vorsitzende des Beratergremiums, Christoph Schmidt, seien die Mehrausgaben “ohne Steuererhöhungen und neue Schulden” zu stemmen. Sie werden einschließlich der Verwaltungsausgaben auf 13,7 Mrd. Euro für 2016 und 12,9 Mrd. Euro für 2017 geschätzt.Kritik am Festhalten an der “schwarzen Null” durch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble begegnet der Wirtschaftsweise Lars Feld mit dem Hinweis auf die demografischen Lasten, die unweigerlich kommen würden. Auch aus psychologischen Gründen sei das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts notwendig, um die “Begehrlichkeiten”, die jetzt der Bundesregierung angetragen würden, zurückweisen zu können. Obendrein, so der Frankfurter Ökonom Volker Wieland, würde die Zinsersparnis von den anderen Eurostaaten eher für die Beibehaltung konsumtiver Ausgaben genutzt, statt zu konsolidieren oder zu investieren. Deutschland habe hier eine “Vorbildfunktion”.Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hält diese Herangehensweise indes für falsch: “Wenn der Staat sich zum Nulltarif verschulden kann, sollte er den Spielraum nutzen und das Geld für rentable Investitionen einsetzen.” Außerdem würde eine “vernünftige Verschuldung” dazu beitragen, dass es für deutsche Sparer wieder etwas höhere Zinsen gebe.Mit einem gewissen Unwohlsein betrachten die Wirtschaftsweisen den aktuellen Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB). Die lockere Geldpolitik habe “erhebliche Nebenwirkungen”, warnte die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel. Das untergrabe die Profitabilität der Banken und mindere den Reformdruck in Europa. Wieland verwies darauf, dass die EZB zuletzt viel stärker auf Inflationsdaten reagiert hätte als früher. Die Notwendigkeit dieser Schritte zieht er schon deshalb in Zweifel, weil die Geldpolitik keinerlei Auswirkungen auf den Ölpreis habe. Ohne die EZB-Maßnahmen wäre zudem der zwiespältige Anstieg der Vermögenspreise geringer ausgefallen. Die Gefahr einer Deflation sehen die Wirtschaftsweisen obendrein nicht.Bofinger äußerte zwar Sympathien für den EZB-Kurs und verwies darauf, dass die Maßnahmen über den Währungskurs durchaus Wirkung auf die Inflation hätten. Ohne sie wäre die Eurozone zudem tatsächlich in die Deflation gerutscht, betonte er. Die jüngsten Entscheidungen, etwa auch Unternehmensanleihen zu kaufen, hält auch er für falsch. Bofinger: “Der letzte Schritt der EZB wäre nicht nötig gewesen.”