JAHRESGUTACHTEN DER WIRTSCHAFTSWEISEN

Wirtschaftsweise zeigen Optimismus

Jahresgutachten rät zur Konsolidierung der Staatsfinanzen über Wachstum - Energiepreisreform angezeigt

Wirtschaftsweise zeigen Optimismus

Der Weg aus der Coronakrise und zur Konsolidierung der Staatsfinanzen führt für den Sachverständigenrat über mehr Wachstum. Die vereinbarten Klimaziele sehen die Experten als industriepolitische Chance. Zudem dringen sie darauf, die gesetzliche Rente nachhaltig zu finanzieren.wf Berlin – Der Sachverständigenrat für Wirtschaft zeigt sich in seinem neuen Jahresgutachten 2020/21 optimistisch, die Folgen der Coronakrise auch wirtschaftlich bewältigen zu können. Verbessere sich die Lage wieder, solle das Augenmerk auf der Konsolidierung der Staatsfinanzen liegen und auf der Normalisierung der Geldpolitik. Die Wirtschaftsweisen gehen davon aus, dass die Konsolidierung wie nach der Finanzkrise 2008/2009 über Wirtschaftswachstum gelingen kann, machte der Ratsvorsitzende Lars Feld bei der Präsentation des Gutachtens deutlich. Das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit wird den Wissenschaftlern zufolge 2020 rund 5,6 % des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erreichen. Mit der konjunkturellen Aufhellung im Jahresverlauf 2021 sowie dem Auslaufen einiger fiskalpolitischer Maßnahmen des Konjunkturpakets dürfte das Defizit auf 3,5 % des BIP sinken. Die Staatsschuldenquote zum BIP bleibt mit erwarteten 72,1 % (2020) und 71,1 % (2021) unter dem Niveau der Finanzkrise.Gute Noten gaben die Wirtschaftsweisen den Corona-Hilfsprogrammen der Regierung. Einige Maßnahmen könnten zielgenauer sein, stellte Feld fest, und nannte die befristete Mehrwertsteuersenkung. Nur 11 % der Konsumenten planten dem Rat zufolge, Kaufentscheidungen wegen der geringeren Umsatzsteuer auf 2020 vorzuziehen. Zudem rät der Sachverständigenrat zur weiteren Stützung der Wirtschaft dazu, den steuerlichen Verlustrücktrag stärker auszuweiten, damit die Unternehmen Krisenverluste mit Gewinnen aus dem Jahr 2019 verrechnen können. Dies ist auch das Hauptanliegen des Wirtschaftsrates der CDU. Wirtschaftsratspräsidentin Astrid Hamker rief die SPD auf, sich zu bewegen. Von Steuererhöhungen zur Konsolidierung der Staatsfinanzen raten die Sachverständigen mehrheitlich ab. “Rente sicher finanzieren” In ihrem Jahresgutachten rufen die Wirtschaftsweisen mit Blick auf solide Staatsfinanzen die Bundesregierung zudem auf, bei der gesetzlichen Rente nachzubessern. “Wir haben die Finanzierung der Rentenversicherung nicht sichergestellt”, sagte Feld. Durch die alternde Gesellschaft und den Renteneintritt der Babyboomer werde die Belastung stark steigen. Feld bezifferte die Tragfähigkeitslücke auf 3,9 % des BIP. In dieser Höhe müsse der Staat Überschüsse erzielen, um die Lücke zu schließen. Die Wirtschaftsweisen plädieren für eine längere Lebensarbeitszeit. Jedes gewonnene Jahr an Lebenserwartung solle zu zwei Dritteln in Arbeitszeit und zu einem Drittel in Freizeit fließen.Staatliche Konjunkturstützung sollte den Wandel zu langfristig wettbewerbsfähigen Strukturen nicht behindern, mahnen die Weisen. Klimaschutz sei eine industriepolitische Chance, konstatieren sie im Gutachten. Neue Märkte würden damit geöffnet. Ziel müsse es sein, die marktorientierten Mechanismen zu stärken. Die Wirtschaftsweisen raten zu einer Energiepreisreform, die verzerrende Abgaben und Umlagen beseitigt. Dazu könnte die EEG-Umlage für erneuerbare Energien abgeschafft und der Strompreis auf das europäische Minimum gesenkt werden. So werde die Koordinationsfunktion des CO2-Preises gestärkt. Die Koppelung der Sektoren – also der Einsatz von Strom in den Sektoren Wärme, Verkehr und Industrie – werde dadurch verbessert.Die Wirtschaftsweisen haben auch die fiskalischen Auswirkungen einer solchen Reform aufgezeigt (siehe Grafik). Inwieweit sich die Senkung von EEG-Umlage und Stromsteuer durch die Erlöse aus dem Emissionshandel refinanzieren ließen, hänge maßgeblich von der Höhe des Emissionspreises ab. Im nächsten Jahr rechnet das Bundesfinanzministerium mit Erlösen von 7,4 Mrd. Euro, die bis 2024 auf 12,9 Mrd. Euro steigen werden. 2026 – unter der Annahme eines Höchstpreises von 65 Euro/Tonne CO2 – ließen sich 17,8 Mrd. Euro erzielen. 2020 werden Haushalte und Unternehmen durch die EEG-Umlage mit 23,9 Mrd. Euro belastet, durch die Stromsteuer mit 6 Mrd. Euro. Die Abschaffung der EEG-Umlage und die Senkung des Strompreises auf das europäische Minimum würden im Jahr 2022 einen Finanzaufwand von 29 Mrd. Euro bedeuten. Zudem fielen Umsatzsteuereinnahmen von 5 bis 6 Mrd. Euro weg. Von der Refinanzierung der Preisreform über die Emissionshandelseinnahmen versprechen sich die Weisen einen positiven Effekt: die Mittel würden den Zahlern zurückgegeben.