Großbritannien

Wohn­immobilien­markt an Wendepunkt

Jahrelang hat der britische Häusermarkt nur eine Richtung gekannt. Nun sorgen steigende Zinsen und Lebenshaltungskosten dafür, dass sich die Preisinflation bei Wohnimmobilien abschwächt.

Wohn­immobilien­markt an Wendepunkt

hip London

In den harten Daten zum britischen Wohnimmobilienmarkt hat sich noch keine Neubewertung der Lage abgezeichnet. Im August kostete ein durchschnittliches Eigenheim dem Statistikamt ONS zufolge 296 000 Pfund. Das waren rund 14 % mehr als ein Jahr zuvor. Die rasant steigenden Lebenshaltungskosten wirkten sich demnach bislang nicht wesentlich auf die Nachfrage aus. Es deutet sich lediglich eine Verlangsamung der Immobilienpreisinflation an. Einen Monat zuvor hatte sie noch bei 16 % gelegen. Berücksichtigt man den zeitlichen Vorlauf von Immobilienkäufen, spiegelt sich in den Daten die Nachfrage im Mai wider – einem Monat also, in dem zwar der Ukraine-Krieg schon begonnen hatte, andere Themen, die zuletzt die Stimmung belasteten, aber noch nicht erkennbar waren. Damals kostete eine Festzinshypothek auch nur um die 2 % Zinsen. Der Hypothekenanbieter Halifax hat schon Daten für den September. Nach seiner Erhebung verteuerten sich Wohnimmobilien im Vorjahresvergleich nur noch um 9,9 % nach 11,4 % im August.

In den vergangenen Jahren habe die Immobilienpreisinflation weit über dem historischen Durchschnitt gelegen, sagt Kim Kinnaird, Direktorin bei Halifax Mortgages. Eine vorübergehende Aussetzung der Stempelsteuer trug ebenso dazu bei wie der enge Arbeitsmarkt und das geringe Angebot. Kinnaird rechnet damit, dass die Preise in den kommenden Monaten unter Druck geraten. Die Analystin Sarah Coles von Har­greaves Lansdown erwartet zunächst eine Verlangsamung des Preiswachstums. Ab dem kommenden Jahr besteht aus ihrer Sicht die Gefahr, dass die Preise sinken.

Weniger Abschlüsse

Die Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS), ein Verband von Immobiliensachverständigen, be­rich­tete, dass die Zahl der Verkaufsabschlüsse den fünften Monat in Folge gesunken sei. Auch die Zahl der Kaufwilligen sei in diesem Zeitraum Monat für Monat zurückgegangen. Makler rechneten für die kommenden zwölf Monate mit fallenden Preisen. In den bislang vorliegenden Daten sind weder die nach Vorlage des Mini-Haushalts von Ex-Schatzkanzler Kwasi Kwarteng Ende September rasant gestiegenen Anleiherenditen berücksichtigt noch das Chaos in Westminster, wo derzeit erneut nach einem Premierminister gesucht wird. Die Inflationserwartungen sind gestiegen. Dass Schatzkanzler Jeremy Hunt die Steuerversprechen der scheidenden Premierministerin Liz Truss weitgehend rückgängig machte, hat daran wenig geändert. Immobilienfinanzierer arbeiten das umgehend in ihre Preise ein. Am Dienstag erreichte der im Schnitt für eine Festzinshypothek mit zweijähriger Laufzeit geforderte Zins der Website Moneyfacts zufolge 6,53 %. Das war der höchste Wert seit August 2008. Die gestiegenen Kosten von Wohnimmobilienkrediten ma­chen es dem Immobilienportal Rightmove zufolge für Erstkäufer billiger, zu mieten statt zu kaufen. Wer 10 % Eigenkapital mitbringe, zahle ein Fünftel mehr für seine Monatsraten, als er an Miete für ein vergleichbares Objekt bezahlen müsste.

Die steigenden Kosten betreffen aber nicht nur Erstkäufer. Nach Schätzung von Goldman Sachs werden in den kommenden zwölf Monaten rund 40 % der laufenden Hypotheken refinanziert werden müssen. Das alles könnte dazu führen, dass Kaufinteressenten erst einmal ab­warten, ob die Wunschimmobilie nicht schon bald etwas billiger zu haben ist und die Hypothekenzinsen nachgeben. Dem Markt droht ein sich selbst verstärkender Kreislauf, bei dem die Preise dadurch unter Druck geraten, dass immer mehr Menschen Transaktionen aufschieben.

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