Yves Mersch warnt vor Überziehen bei Staatsanleihekäufen

EZB-Direktoriumsmitglied: Wenn Inflation schneller ansteigt als erwartet, muss QE-Plan überdacht werden

Yves Mersch warnt vor Überziehen bei Staatsanleihekäufen

ms Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) muss nach Einschätzung von Direktoriumsmitglied Yves Mersch ihr Programm zum breit angelegten Kauf von Staatsanleihen überdenken, wenn sich abzeichnet, dass sich die Wirtschaft stärker erholt und die Inflation schneller wieder anzieht als gedacht. “Wenn wir (…) sehen, dass wir überziehen, dann wäre es natürlich angebracht sich zu fragen, ob wir unseren Plan anpassen müssen”, sagte Mersch im Interview der Börsen-Zeitung. Die zaghafte positive Entwicklung der Euro-Wirtschaft zu Jahresbeginn habe “sich mit QE verstärkt” – also mit dieser Politik der quantitativen Lockerung (Quantitative Easing, QE).Im Kampf gegen die Mini-Inflation in Euroland hatte die EZB im Januar den historischen Beschluss gefasst, in großem Stil Staatsanleihen der Euro-Länder zu kaufen. Am 9. März schließlich hat sie damit begonnen. Aktuell ist vorgesehen, bis mindestens September 2016 öffentliche Schuldtitel sowie andere Wertpapiere für 60 Mrd. Euro monatlich zu kaufen. Am Ende des QE-Programms stünde so eine Summe von 1,14 Bill. Euro. Im März hat sie das Ziel erfüllt, wie die Notenbank gestern mitteilte.Da die Euro-Wirtschaft aber Ende 2014 stärker gewachsen ist als erwartet, es weiter positive Konjunktursignale gibt und auch die Inflationsrate von – 0,6 % im Januar auf – 0,1 % im März gestiegen ist, sind bereits Spekulationen aufgekommen, die EZB könne beispielsweise das monatliche Volumen künftig drosseln oder die Käufe früher stoppen.Mersch betonte nun, dass der aktuell vorgesehene Weg sei, an dem Volumen von 60 Mrd. Euro festzuhalten. Darauf basiere auch die Prognose, die ein Anziehen der Teuerung auf 1,8 % im Jahr 2017 vorhersage. Zugleich machte er aber klar: “Wenn wir sehen würden, dass uns dieser Weg schneller an unser Ziel bringt, sind wir natürlich durch unsere Entscheidungen nicht derart festgelegt, dass wir ihn nicht anpassen könnten.” Das gelte im Übrigen auch für den entgegengesetzten Fall, dass die Inflation nicht wie gewünscht ansteige. “Wir sind in beide Richtungen nicht realitätsresistent”, sagte Mersch.Er betonte, dass es für ihn nicht infrage komme, künftig eine oberhalb des EZB-Ziels von knapp 2 % liegende Inflation zu tolerieren, nur weil die Teuerung lange Zeit deutlich darunter lag. Das “wäre für mich nicht stabilitätskonform”, sagte Mersch. Eine klare Absage richtete er denn auch an Debatten, die EZB solle zu einer Strategie der Preisniveausteuerung übergehen. In der Praxis sei das “ein äußerst fragliches Experiment”.Alarmiert zeigte sich Mersch mit Blick auf Diskussionen, mit einer Abwertung des Euro die Wettbewerbsposition der Euro-Länder zu verbessern. “Das stünde absolut nicht in Einklang mit unseren Vorgaben, wie sie im EU-Vertrag festgehalten sind. Das wäre Alarmstufe Rot.”In der Griechenland-Krise appellierte Mersch an die neue Regierung in Athen: “Wir haben unsere Regeln in Europa, und an die muss sich jeder halten.” Er verteidigte, dass die EZB für die griechischen Banken derzeit ELA-Notfallkredite (Emergency Liquidity Assistance) von mehr als 70 Mrd. Euro bewilligt habe. Zugleich sagte er aber, dass die Notenbank die Lage permanent beobachte und es möglich sei, dass sie die Daumenschrauben künftig anziehe.—– Interview Seite 6- Bericht Seite 7