Zahlreiche Mängel in der EU-Wettbewerbspolitik
ahe Brüssel – Der Europäische Rechnungshof hat bei einer Untersuchung der EU-Wettbewerbspolitik der vergangenen zehn Jahre zahlreiche Mängel aufgedeckt. Den komplexen neuen Herausforderungen bei der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts auf digitalen Märkten, den immer größeren zu analysierenden Datenmengen und den Einschränkungen bei den verfügbaren Durchsetzungsinstrumenten werde die Brüsseler Behörde “nicht vollständig gerecht”, monierten die Prüfer. MilliardenstrafenAlex Brenninkmeijer, das für den Bericht zuständige Rechnungshof-Mitglied, betonte zwar, die Kommission habe ihre Befugnisse sowohl in der Fusionskontrolle als auch bei Kartellrechtsverfahren wirksam genutzt. “Nun sollte sie jedoch die Marktaufsicht verstärken, um sich für eine zunehmend globale und digitale Welt zu wappnen”, erklärte Brenninkmeijer. “Sie muss besser darin werden, Verstöße proaktiv aufzudecken, und ihre Untersuchungen umsichtiger auswählen.” Auch die Zusammenarbeit mit den nationalen Wettbewerbsbehörden solle verstärkt werden.Derzeit prüft die EU-Kommission jährlich über 300 Fusionsanmeldungen und etwa 200 Kartellrechtsfälle. Zwischen 2010 und 2019 hat die Wettbewerbsbehörde Geldbußen in Höhe von 28,5 Mrd. Euro wegen Verstößen verhängt.Der Rechnungshof verwies darauf, dass aufgrund der begrenzten Ressourcen seit 2005 nur vier Sektoruntersuchungen durchgeführt werden konnten, die zur Aufdeckung von Verstößen beigetragen hätten. Relativ begrenzt seien auch die Ressourcen, um die Märkte überwachen und dabei potenzielle Probleme aufspüren zu können, um über die Bearbeitung von Wettbewerbsbeschwerden hinaus auch selbst Kartellrechtsfälle aufzudecken. Im Bereich der Fusionskontrolle sehen die Prüfer das Problem, dass die Menge an zu überprüfenden Daten ebenso wie die Zahl der zu analysierenden Fusionen ständig steigt. Hier müsse es weitere Vereinfachungen geben, heißt es in dem Bericht.Auch die festgesetzten Umsatzschwellen sollten nach Ansicht des Rechnungshofes noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden. Einige bedeutsame Transaktionen seien aufgrund der derzeitigen Schwellen nicht in Brüssel geprüft worden. “Nicht im 21. Jahrhundert”Die Prüfer kritisierten zugleich, dass Kartellrechtsverfahren bis zu acht Jahre dauerten, was die Wirksamkeit der Durchsetzungsentscheidungen verringere – insbesondere auf den sich rasch entwickelnden digitalen Märkten. Gerade hier seien die rechtlichen Instrumente der Behörde “unter Umständen nicht mehr vollumfänglich geeignet, um die neuen Arten von Wettbewerbsproblemen zu bewältigen”, hieß es. Darüber hinaus stellten die Prüfer fest, dass die Kommission zwar rekordverdächtig hohe Geldbußen gegen Unternehmen verhängt, deren abschreckende Wirkung jedoch nie bewertet habe.Aus dem EU-Parlament kamen gestern bereits Forderungen an Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, das Wettbewerbsrecht rasch zu modernisieren. Der CSU-Abgeordnete Markus Ferber kritisierte, dieser Schritt sei bisher auf die lange Bank geschoben worden. “Die Kommission reagiert bestenfalls auf Zuruf und schaut vor allem auf die falschen Kennziffern”, kritisierte er. “Fälle wie Google oder die Übernahme von Whatsapp durch Facebook zeigen, dass das europäische Wettbewerbsrecht noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen ist.” Die EU-Kommission sei oft nicht in der Lage, Wettbewerbsverzerrungen in der digitalen Welt zu erkennen, oder es dauere so lange, dass der Markt schon bereinigt sei, wenn ein Urteil falle.