Zeichen in Erfurt stehen auf Neuwahl

FDP-Ministerpräsident beantragt Auflösung des Landtags - Unterstützung von AfD oder CDU erforderlich

Zeichen in Erfurt stehen auf Neuwahl

Der Ministerpräsident des Landes Thüringen, Thomas Kemmerich (FDP), hat wenige Stunden nach seiner Wahl angekündigt, den Weg für Neuwahlen freizumachen. So will er den “Makel der Unterstützung der AfD vom Amt des Ministerpräsidenten nehmen”, mit deren Stimmen er am Mittwoch gewählt wurde.sp/Reuters Berlin/Erfurt – Der neue Thüringer Ministerpräsident, Thomas Kemmerich (FDP), hat knapp 24 Stunden nach seiner mit Stimmen der rechtspopulistischen AfD erfolgten Wahl angekündigt, einen Antrag auf Auflösung des Landtags zu stellen. “Damit möchten wir Neuwahlen herbeiführen, um den Makel der Unterstützung der AfD vom Amt des Ministerpräsidenten zu nehmen”, sagte der FDP-Politiker nach einem Treffen mit Parteichef Christian Lindner in Erfurt. Zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Kemmerichs Wahl, die auch mit Hilfe der CDU zustande gekommen war, als “unverzeihlichen Vorgang” bezeichnet und gefordert, das Ergebnis rückgängig zu machen. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans forderte FDP und CDU auf, “das Problem aus der Welt zu schaffen”.In Richtung Kemmerich sagte Walter-Borjans, dass es “keine kommissarische Amtsführung eines Ministerpräsidenten geben kann, dem jede demokratische Legitimation fehlt und der vor allem mit Feinden der Demokratie ins Amt gekommen ist”. Doch der frisch gekürte Ministerpräsident will sein Amt offenbar vorerst behalten. Auf die Frage, was er tun werde, wenn die erforderliche Zweidrittelmehrheit für eine Auflösung des Landtages nicht zustande komme, sagte er: “Dann werde ich die Vertrauensfrage stellen.” Um auf die nötigen zwei Drittel zu kommen, müssten neben Linken, SPD, Grünen und FDP mindestens auch Teile von CDU oder AfD für die Auflösung des Landtags stimmen (siehe Grafik). Die CDU hat dazu bis gestern Abend keine Bereitschaft gezeigt. “Wir sind mit der CDU in Kontakt”, sagte Kemmerich. Wie sich die Fraktion um Landesparteichef Mike Mohring entscheiden werde, wisse man nicht. MeinungsumschwungNoch am Morgen hatte Kemmerich Neuwahlen abgelehnt. “Eine Neuwahl in dieser Situation würde nur zu einer Stärkung der Ränder führen. Das können Demokraten nicht wollen”, sagte er in der ARD. Er war tags zuvor in geheimer Wahl mutmaßlich mit den Stimmen von AfD, CDU und FDP zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Der bisherige Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), dessen Partei bei der Landtagswahl im Oktober 2019 stärkste Kraft geworden war, unterlag mit 44 zu 45 Stimmen.Am Mittag kam Kemmerich mit Parteichef Lindner zusammen, der danach sagte: “Thomas Kemmerich hat die einzig richtige, einzig mögliche Entscheidung getroffen.” Der FDP-Chef kündigte an, dass er im FDP-Bundesvorstand am Freitag ebenfalls die Vertrauensfrage stellen wolle. Er wolle sich damit der Legitimation der Partei versichern. Mehrere FDP-Politiker hatten am Mittwoch gefordert, Kemmerich hätte die Wahl gar nicht annehmen dürfen. Lindner dagegen hatte Union, SPD und Grüne in Thüringen aufgerufen, ein Gesprächsangebot von Kemmerich anzunehmen. Es könne “gemeinsame Projekte der Parteien der Mitte für die Menschen in Thüringen” geben. Nur wenn sich diese drei Parteien “fundamental” verweigerten, seien baldige Neuwahlen zu erwarten. Medienberichten zufolge drohte Lindner Kemmerich mit dem eigenen Rücktritt, sollte dieser den Weg für Neuwahlen nicht freimachen.Aus der thüringischen CDU gab es bis zum Abend keine Signale der Bereitschaft zu Neuwahlen. Im Gegenteil: Die CDU-Vereinigungen des Landes teilten wenige Minuten vor Kemmerichs Ankündigung mit, es dürfe “in Thüringen weder Stillstand geben, noch sind Neuwahlen eine Antwort auf die entstandene Situation”. Aus der CDU in Berlin hieß es am Nachmittag, ein Treffen des thüringischen Landeschefs Mike Mohring mit Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer sei geplant. Diese hatte die Landes-CDU gewarnt, dass “die AfD genau dieses Spiel spielen wird, das sie gespielt hat”. Sie habe auch FDP-Chef Lindner im Vorfeld “sehr herzlich” darum gebeten, dafür zu sorgen, dass die FDP keinen Kandidaten aufstelle, sagte die CDU-Chefin im ZDF. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kündigte für Freitag eine Präsidiumssitzung in Berlin an.Merkel warf der Thüringer CDU einen Bruch “mit der Grundüberzeugung” der Partei vor, “dass keine Mehrheiten mit Hilfe der AfD gewonnen werden sollen”. Daher müsse “das Ergebnis wieder rückgängig gemacht werden”, sagte sie am Rande ihrer Südafrika-Reise. Am Samstag beschäftigt sich der Koalitionsausschuss mit der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen.