Lieferketten

Zuversicht überwiegt Furcht vor Störungen

Deutsche Exporteure trotzen neuem Ungemach in den globalen Lieferketten. Indizien dafür haben sich in den letzten Wochen verdichtet.

Zuversicht überwiegt Furcht vor Störungen

rec Frankfurt

Den deutschen Exporteuren kann derzeit offenbar so gar nichts die Laune verderben. Überstrapazierten Lieferketten und akuten Materialengpässen zum Trotz rechnen sie auf Sicht von drei Monaten mit hervorragenden Geschäften, die – sofern sie tatsächlich im erwarteten Umfang zustande kommen –die Gesamtwirtschaftsleistung über den Sommer kräftig anschieben dürfte. Darauf lassen die vom Ifo-Institut ermittelten Exporterwartungen schließen: Mit 26 Punkten erreichten sie im Juni den höchsten Stand seit Januar 2011. „Nahezu alle Branchen rechnen mit steigenden Exporten“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest.

Hauptgrund für die große Zuversicht: Die wichtigsten Handelspartner USA und China führen die globale Erholung von der Coronakrise an, auch in anderen Ländern zieht die Nachfrage an. Hinzu kommen Nachholeffekte, weil Unternehmen auf breiter Front Lagerbestände wiederaufbauen. Auch für die Weltwirtschaft insgesamt ist es ein gutes Signal, dass hiesige Exporteure unter Dampf stehen: Nach den USA und China ist Deutschland dem Volumen nach der drittwichtigste Exporteur von Vorleistungsgütern, wie eine aktuelle Analyse von Ökonomen der DekaBank zeigt.

Mit Blick auf komplexe internationale Lieferketten in vielen Industrien warnen sie: „Schon kleine Störungen der Lieferketten können zu weitreichenden Produktionshemmnissen führen“. Die Indizien, dass sich in den Lieferketten neues Ungemach zusammenbraut, haben sich in den letzten Wochen verdichtet. An neuralgischen Stellen der globalen Handelsrouten stauen sich Schiffe und Container: In den chinesischen Häfen Yantian und Shenzhen war der Betrieb wegen neuer Corona-Ausbrüche stark beeinträchtigt. Immerhin scheint sich die Lage wieder zu entspannen. Aber auch an der Westküste der USA sind große Häfen am Anschlag oder darüber, weil derzeit nach Commerzbank-Analysen knapp ein Drittel mehr Containerschiffe ankommt als im gleichen Zeitraum vor zwei Jahren, vor Corona.

Hinzu kommen anhaltende und sich teils verschärfende Materialengpässe. Als besonders problematisch stufen die Commerzbank-Ökonomen Marco Wagner und Bernd Weidensteiner die Lage in den Branchen Chemie und Halbleiter ein. Das macht besonders der Autoindustrie zu schaffen – hierzulande bekanntlich der bedeutendste Industriesektor. Folge der Kombination aus Staus und Knappheiten: Die Lieferzeiten werden immer länger. Inzwischen müssen die Firmen im Durchschnitt so lange auf Lieferungen warten wie nie seit der Jahrtausendwende (siehe Grafik). Volkswirte rechnen überwiegend damit, dass sich gegen Jahresende die meisten Lieferengpässe auflösen. Mitunter könnte es aber länger dauern, etwa bei Halbleitern.

In der Nachfrage nach Containern schlagen sich die Engpässe bislang nicht nieder: Die ist ungebrochen. Das zeigt der Containerumschlag-Index des RWI und des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL). Auch der Kiel Trade Indicator des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), der Positionen und Auslastung von Schiffen auf den Weltmeeren quasi in Echtzeit auswertet, lässt bislang nicht auf eine Verminderung des weltweiten Warenverkehrs schließen. Derweil treiben höhere Kosten für Transport und knappe Vorleistungsgüter merklich die Preise. Frische Daten dazu liefert das Statistische Bundesamt am Montag.