Schocktherapie gegen automobile Adipositas
Notiert in Frankfurt
Schocktherapie gegen Auto-Adipositas
Von Lutz Knappmann
Es ist ja nicht so, dass das Parken in Paris bislang ausgewiesen preiswert wäre. Aber wer mit seinem zeitgenössischen SUV in die französische Hauptstadt dieselt, soll nach dem Willen der Stadtbevölkerung künftig richtig tief in die Tasche greifen. 18 Euro je Stunde sollen auswärtige Fahrer bald berappen, wenn sie ihr SUV in der Stadtmitte abstellen wollen. Prohibitive Preissetzung nennt man so etwas. Schließlich ist das Ziel der Stadtregierung, die ihre Bürger über das neue Preismodell hat abstimmen lassen, ja schlicht, die verhassten, aber verkaufsstarken Großstadt-Geländewagen fernzuhalten.
Seit der Pariser Abstimmung tobt allerorten die Debatte, ob auch notorisch verkehrsgeplagte Großstädte wie Frankfurt solche Modelle einführen sollten. Rund 400.000 Menschen pendeln Morgen für Morgen in die Main-Metropole, nur um abends wieder in ihre Wohnorte im Speckgürtel zurückzukehren. Die Allermeisten nutzen dafür das Auto, wie der ADAC gerade in einer Studie erhoben hat. Und ihre Stimmung ist ohnehin schon mies. Die automobilen Pendler sind mit der Frankfurter Verkehrsinfrastruktur mit Abstand am unzufriedensten. „Während die befragten Einwohner die Nutzung von Pkw in der Stadt als eher positiv bewerten, sind Pendler bei der Fahrt mit dem Auto überwiegend unzufrieden“, konstatiert die ADAC-Studie. „Besonders negativ werden dabei wichtige Zufriedenheitskriterien wie Erreichbarkeit, Parkgebühren in der Innenstadt, Baustellenmanagement und das Parkraumangebot bewertet.“ Es liegt auf der Hand, wie Strafgebühren für besonders schwere Autos aus dem Umland bei Pendlern und Besuchern der Finanzmetropole ankämen. Aber darum geht es den Verfechtern einer preisgesteuerten Verkehrswende ja gerade.
Da hilft es natürlich nicht, dass Frankfurts Nahverkehrsgesellschaft gerade ihr Angebot ausgedünnt hat. Als „ehrlichen Fahrplan“ vermarktet der Bus- und Straßenbahnbetreiber die neue, gröbere Taktung im ÖPNV-Netz. Eine Reaktion auf den eklatanten Mangel an Fachkräften, die für übersichtliche Löhne bereit sind, den Linienverkehr durch die Großstadt zu navigieren. Die langen Autoschlangen wird das neue ÖPNV-Prinzip „Qualität statt Quantität“ sicher nicht reduzieren. Also doch lieber Grusel-Parkgebühren gegen automobile Adipositas?
Die Shoppingmall „MyZeil“ lebt das Modell längst vor: Wer unter dem beliebten Einkaufstempel in der City parken will, bezahlt tagsüber im ersten Untergeschoss 5,50 Euro je Stunde. Wer sein Auto eine Ebene tiefer abstellt, muss 4 Euro pro Stunde berappen. Auf den weiteren Tiefebenen 3 und 4 liegt der Stundensatz bei 2 Euro. Dafür müssen sich die preissensiblen Autofahrer aber auch durch die zusätzlichen und irritierend engen Abfahrten zwängen. Kratzspuren an den Wänden belegen, dass das nicht immer gelingt. Wer sein SUV ohne das Risiko reparaturbedingter Folgekosten parken will, entscheidet sich deshalb gerne für eine der teureren Ebenen. Vermutlich nennt man das Marktwirtschaft.