Alarmsignal von der Polder
Niederlande
Alarmsignal von der Polder
Der Überraschungssieg
der Rechtspopulisten im Nachbarland zeigt:
Klimaschutz muss auch das soziale Klima umfassen.
Die Hoffnung, dass der Rechtspopulismus nach der Ära Trump weltweit auf dem Rückzug ist, hat mit dem unerwarteten Wahlsieg der PVV in den Niederlanden einen weiteren Dämpfer erfahren. Wie die Partei des libertären argentinischen Präsidentschaftsanwärters Javier Milei („Die Freiheit schreitet voran“) trägt auch Geert Wilders Partei das Freiheitsversprechen in sich.
Damit dürfte zumindest im Falle der PVV wohl eher nicht die Freiheit ethnischer Minderheiten gemeint sein. Wilders, der sich schon seit mehr als einem Jahrzehnt als Eliteschreck der liberalen Niederlande geriert, bezeichnet sich als „Islamkritiker“. Er ließ in der Vergangenheit keine Zweifel aufkommen, dass es ihm dabei keineswegs um die Form der Religionsausübung oder deren Vereinbarkeit mit rechtsstaatlichen Grundsätzen geht.
So schreckte Wilders, der angesichts der absehbar schwierigen Regierungsbildung nun auf einmal der Präsident aller Niederländer sein will, in der Vergangenheit nicht davor zurück, unverhohlen gegen Minderheiten zu hetzen. In einer Wahlkampfrede fragte er einmal seine Anhänger, ob sie sich mehr oder weniger Marokkaner in ihrer Stadt und in den Niederlanden wünschten. Als diese darauf hin skandierten: „Weniger, weniger“, versprach er ihnen, nach einem Wahlsieg dafür zu sorgen.
Seit der Rede ist fast ein Jahrzehnt vergangen. Wilders mag aus der Rolle des Enfant Terribles ein Stück weit herausgewachsen sein – und sein Handlungsspielraum im Umgang mit Zugewanderten dürfte auch von der Frage abhängen, mit wem die PVV zwecks Regierungsbildung koalieren wird. Vor diesem Hintergrund ist wohl eher nicht damit zu rechnen, dass es in den Niederlanden in absehbarer Zukunft zu ethnischen Säuberungen kommt.
Ein Alarmsignal ist das Wahlergebnis gleichwohl, und zwar nicht bloß für die kulturelle Vielfalt des Nachbarlands. Wilders verdankt den Wahlsieg keineswegs nur der harten Haltung in der Migrationspolitik und der Forderung, die in der Bevölkerung umstrittene Unterstützung für die Ukraine zurückzufahren. Gepunktet hat er vielmehr mit der Kritik an der Klimapolitik der bisherigen Regierung – und zwar mit Ansage.
Schon im Frühjahr deutete der Wahlsieg der Bauernpartei bei den Provinzwahlen an, dass die konsequente Klimapolitik des nun abgewählten Regierungsbündnisses nicht konsensfähig ist. Mit dem Versuch, der hohen Stickstoffemissionen in Folge der exzessiv betriebenen Massentierhaltung Herr zu werden, brachte die Regierungskoalition nicht nur die Bauernlobby gegen sich auf, sondern auch die Bauwirtschaft, die ebenfalls zu den emissionsintensiven Wirtschaftszweigen gehört.
Klimaschutz auf Kosten des Wohnungsbaus ist Wasser auf die Mühlen der Populisten, zumal in einem Land, dessen Großstädte von Wohnungsmangel geplagt sind. Obgleich ihre Koalition am Streit über die Migrationspolitik bereits zerbrochen war, legten die nun abgewählten Regierungsparteien noch nach, als sie mit großer Einigkeit für einen Gesetzesentwurf stimmten, der Szenarien für ein zeitnahes Ende der fossilen Subvention forderte.
Mit der landestypischen Schnodderigkeit hielt Wilders im Wahlkampf die Forderung dagegen, den „unbezahlbaren Blödsinn“ der Klimaschutzpolitik so schnell wie möglich zu beenden. Der Appell des sozialdemokratischen Konkurrenten Frans Timmermanns, die grüne Transformation sozialverträglich zu gestalten, verblasste dagegen.
Dass ein ähnliches Szenario auch in Deutschland denkbar ist, zeigen die Wahlerfolge der Afd im Gefolge des Streits um das Heizungsgesetz. Je dringlicher der Umbau der Wirtschaft für das Erreichen der Klimaziele der Bundesregierung wird, desto härter werden die Verteilungskämpfe. Wer es ernst meint mit der Rettung des Planeten, sollte auf das Nachbarland schauen und sich klarmachen, dass Klimaschutz nur funktionieren kann, wenn auch das soziale Klima berücksichtigt wird.