KommentarAmpel-Koalition

Alte Projekte, neue Probleme

Die Ampel mag bei der Umsetzung ihres Koalitionsvertrags besser sein, als es viele Menschen glauben. Dies sagt aber noch längst nichts über die Qualität der Regierungsarbeit aus. Die Herausforderungen der „Zeitenwende“ sind ja noch gar nicht im Koalitionsvertrag abgebildet.

Alte Projekte, neue Probleme

Ampel-Koalition

Alte Projekte, neue Probleme

Von Andreas Heitker

Die öffentliche Wahrnehmung im Land war in den letzten Wochen ziemlich klar: Die Koalition in Berlin bekommt es nicht gebacken. Ob Haushalt oder Heizung, ob Kindergrundsicherung oder Strompreise – an allen Fronten herrscht vielleicht noch Einigkeit über die Ziele, aber ansonsten nur Dauerstreit über die richtigen Wege dorthin und die Finanzierung. Von daher ist es ganz gut, wenn die Bertelsmann Stiftung in ihrer Halbzeitbilanz der Ampel die Sichtweisen noch einmal etwas geraderückt. Demnach führen die öffentlich inszenierten Fehden zwischen SPD, Grünen und FDP nämlich dazu, dass die tatsächliche Regierungsleistung der Koalition und die Umsetzung ihrer Versprechen aus einem ambitionierten Koalitionsvertrag schlicht unterschätzt werden. Also alles nur eine Frage der besseren Kommunikation und Außendarstellung? So einfach ist es auch nicht.

Richtig ist, dass besser aufeinander abgestimmtes Handeln und das Unterlassen von Selbstprofilierungsversuchen auf Kosten der Partner schon viel helfen würde. Die Bertelsmann-Studie zeigt nämlich auch, dass die Menschen überraschend wenig zwischen den drei Koalitionsparteien differenzieren und die Ampel-Parteien eher als Einheit wahrnehmen und beurteilen. Richtig ist aber genauso, dass die drei Parteien zum Teil sehr unterschiedliche wirtschafts-, finanz- und ordnungspolitische Vorstellungen haben, die längst nicht immer zu einem Kompromiss führen können. Da hilft dann auch eine schöne neue Kommunikation nichts.

Das aktuelle Dreierbündnis in Berlin mag zudem durchaus besser bei der Umsetzung des Koalitionsvertrags sein, als es viele Menschen glauben. Dies sagt aber noch längst nichts über die Qualität der Regierungsarbeit aus. Denn die "Zeitenwende" nach dem russischen Überfall auf die Ukraine und all die neuen Herausforderungen, die in diesem Zusammenhang auch auf die deutsche Politik eingeprasselt sind, hätten nur wenige Wochen nach Verabschiedung eigentlich eine Neuverhandlung des Koalitionsvertrags nötig gemacht.

Zur Halbzeitbilanz der Ampel gehört daher zum Beispiel auch ein Blick darauf, wie die Energiekrise im letzten Jahr gemanagt wurde, wie schnell der Abschied von russischen Öl- und Gasimporten gelungen ist, wie die Energiewende-Pläne angepasst wurden und was die Koalition heute tut, um gegen die hohen Strompreise vorzugehen. Auch hier hat die Ampel vieles richtig gemacht, muss sich aktuell aber vorhalten lassen, sich nicht auf Entlastungsmaßnahmen einigen zu können. Der Blick auf die Wahlversprechen von 2021 nutzt da wenig.

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